Gradmessungen (europäische Gradmessung). 187
der auf den Endpunkten stehenden Signale
das durch Heliotrope reflektierte Sonnen
licht nicht ausreichte, die am Tag auf
steigenden Dunstschichten zu durchdringen,
so wurde dazu elektrisches Licht benutzt,
das durch von Dampfkraft getriebene Ma
schinen erzeugt wurde. Auch zwischen Si
zilien und Kap Bon ist die Verbindung
mit Afrika hergestellt. Zu diesen geodä
tischen Arbeiten kommen noch zahlreiche
astronomische Bestimmungen von Pol-
höhen und Längendifserenzen. Von den
letztern, bei denen der elektrische Telegraph
treffliche Dienste geleistet hat, sind beson
ders die zwischen Pulkowa, Warschau und
Wien, zwischen Odessa und Berlin sowie
zwischen Berlin und Paris bemerkenswert.
Durch Ermittelung der Längendifferenz
zwischen M'Sahiba und Algier ergab sich
die Größe eines Grades auf dem Parallel
von 36° nördl.Br. anders als auf dem Bes-
selschen Ellipsoid; es scheint daher dieses
Parallel keine gleichförmige Krümmung
zu besitzen.
BesondereAufmerksamkeit wird auch den
durch den Einfluß der Gebirge und die un
leichförmige Verteilung der Massen unter
er Erdoberfläche hervorgerufenen Ablen
kungen des Bleilots (s. d.) gewidmet, die
sich durch Abweichungen zwischen den geo
dätischen und den astronomischen Ortsbe
stimmungen kundgeben. Südlich von den
Alpen beträgt diese Lotabweichung nahezu
60", am Kaukasus über 40", am Brocken
über 10", und eine Neubestimmung der
geographischen Breite des Puy de Döme
in Frankreich hat dort eine schon von De-
lambre vermutete Ablenkung von 7"
nachgewiesen.
Ferner gehört zu den Aufgaben der euro
päischen Gradmessung die Messung derJn-
tensität der Schwere öder, was auf dasselbe
hinauskommt, die Ermittelung der Länge
des einfachen (mathematischen) Sekunden
pendels. Es ist schon der Thatsache Er
wähnunggeschehen, daßdiePendelbeobach-
tungcn einen wesentlich grötzern Wert für
die Erdabplattung liefern als die G., und
es erhebt sich daher die Frage, woher dies
rühre. Gegenwärtig geht nun die Ansicht
der meisten Physiker dahin, daß die Pen
delapparate noch nicht einen hinreichenden
Grad von Genauigkeit besitzen, indem
beim Gebrauch die Gestelle, an denen die
Pendel angebracht sind, mitschwingen, was
bisher nicht genügend beobachtet worden
ist. Auf der Münchener Konferenz wurde
deshalb eine aus dem französischen Aka
demiker F a y e und den Professoren H e l m -
holtz in Berlin, v. Oppolzer in Wien
und Planiamour in Genf bestehende
Kommission damit beauftragt, Vorschläge
bezüglich der besten Einrichtung der Pendel
und chres Gebrauchs zu machen.
Endlich hat die europäische Gradmessung
auch noch die Ermittelilng der Höhe der
Länder über dem Meeresspiegel sowie die
Bestimmung des Niveauunterschieds der
Meere unter sich in ihr Programm auf
genommen. Zu dem Zweck werden durch
ganz Europa Präzisionsnivellements aus
geführt und an zahlreichen Küstenpunk
ten durch selbstthätig registrierende Appa
rate (Mareographen) die mittlern Höhen
des Meeresspiegels ermittelt. Aus den
französischen Messungen ergibt sich in letz
terer Hinsicht, daß sich der Atlantische
Ozean um 0,75—0,so in über das Mittel
meer bei Marseille erhebt; bei Bayonne
beträgt diese Erhebung 0,856, bei Brest
1,022, bei Havre 0,34i und bei Dünkirchen
0,776 m; anderseits steht das Mittelwasser
des Ozeans bei Bayonne 0,i59, bei Brest
0,325, bei Calais 0,v56 m über dem Mittel
wasser der Ostsee bei Swinemünde, bei La
Röchelte aber 0,297 m unter demselben.
Neben diesen Hauptarbeiten laufen noch
eine Menge andrer her. Es sei hier nur
der Unter>uchungen über die terrestrische
Strahlenbrechung und ihrer Abhängig
keit von Witterungsverhältnisscn sowie
der zahlreichen Maßvergleichungen gedacht,
welche namentlich durch den Umstand not
wendig wurden, daß die ältern Basismes
sungen mit verschiedenen, nicht genau ver
glichenen Maßstäben ausgeführt worden
sind. Die Notwendigkeit einer genauen
Fixierung der Längeneinheit hat auch zur
Einsetzung einer besondern internationalen
Kommission geführt, und für die Zwecke
der europäischen Gradmessung ist von Ge
brüder B r u n n e r in Paris ein internatio
naler geodätischer Maßstab gefertigt wor
den, dessen chemische Zusammensetzung