190 Gravitation (Keplers Meinungen).
tator des Aristoteles, Simplicius, hin,
indem er das Nichtherabfallen der Welt
körper dadurch erklärt, »daß der Um
schwung die Oberhand hat über die eigne
Falltraft, den Zug nach unten«.
5) Der Begründer der neuern Astrono
mie, Kopernikus, war der Ansicht,
»daß die Schwere nichts andres sei als
eine Art den Teilen beigegebenes natür
liches Bestreben, sich zu einem einheitlichen
Ganzen in Kugelgestalt zu formieren; und
es ist zu glauben«, fügt er hinzu, »daß diese
Eigenschaft auch der Sonne, dem Mond
nnd den übrigen Planeten zukomme und
dieselben hierdurch in ihrer runden Ge
stalt verbleiben«.
Ähnlichen Vorstellungen begegnen wir
auch bei K e p l e r. In der Einleitung zu
seiner »Neuen Astronomie« sagt er: »Die
Schwere ist ein den bekannten Körpern
zukommendes Streben nach gegenseitiger
Vereinigung; viel kräftiger zieht die Erde
den Stein, als der Stein die Erde an.
Die schweren Körper fallen nach dem Mit
telpunkt der Welt (wenn wir die Erde
als solchen annehmen), nicht weil der
selbe der Mittelpunkt der Welt, sondern
weil er der Mittelpunkt eines runden
Körpers, nämlich der Erde, ist. Mag da
her die Erde wohin immer durch ihre inne
wohnende Kraft versetzt werden, immer
fallen die schweren Körper zu ihr nieder.
Wäre die Erde nicht rund, so würden die
schweren Körper nicht von allen Seiten
nach dem Mittelpunkt derselben fallen,
sondern von verschiedenen Seiten her nach
verschiedenen Punkten. Wenn sich zwei
Steine irgendwo in der Welt in gegen
seitiger Nähe, aber außer dem Bereich
der Anziehung eines dritten Körpers be
finden, so werden sie nach Art zweier mag
netischer Körper nach einem mittlern Ort
zusammengehen, indem ein jeder einen
Weg zurücklegt, welcher der Masse des
andern proportional ist. Würden der
Mond und die Erde nicht durch ihnen inne
wohnende lebendige oder eine gleichwertige
Kraft in ihrer Bahn erhalten, so würde
die Erde zum Mond emporsteigen um den
54. Teil des Abstands beider, der Mond
aber würde um ungefähr 53 solcher Teile
zur Erde Herabkommen, uitd dann würden
sie zusammentreffen, vorausgesetzt, daß
die Substanz beider gleichartig und von
derselben Dichte ist. Wenn die Erde auf
hörte, ihre Gewässer an sich zu ziehen, so
würden die Wasser des Meerö empor
steigen und auf den Mond strömen.« Wir
treffen also bei Kepler schon die Vorstel
lung, daß die Schwere allen einzelnen
Körperteilchen zukommt, und dann hebt
er besonders hervor, daß die Anziehung
zweier Körper eine gegenseitige, daß aber
ihre Wirkung, die aus ihr resultierende
Bewegung, der Masse des anziehenden
Körpers proportional ist. Dagegen fehlt
bei Kepler die Regel, daß die Anziehung
umgekehrt proportional dem Quadrat
der Entfernung wirkt. Daß derselbe die
richtige mathematische Formel für die ge
genseitige Massenanziehung nicht hat fin
den können, hat seinen Grund hauptsäch
lich darin, daß ihm noch das Gesetz für
die Größe der Zentrifugalkraft unbekannt
war. Dasselbe ist nämlich erst ein Men
schenalter später von dem Niederländer
Huygens entwickelt worden. Diesem
sowie seinen Zeitgenossen Wren und
Hooke schreibt Newton die Ableitung
der Formel für das Gesetz der Anziehung
aus dem dritten Keplerschcn Gesetz (s. Kcp-
lersche Gesetze) zu. Außer ihnen sind auch
noch Boulliau und Borelli als solche
zu nennen, welche ein gemeinsames, den
drei Keplerschcn Gesetzen zu Grunde lie
gendes Prinzip ahnten.
6) Es ist auch sehr leicht, unter der An
nahme einer kreisförmigen Bewegung der
Planeten um die im Mittelpunkt stehende
Sonne den Satz zu entwickeln, daß die
Anziehung der Sonne auf die Planeten
umgekehrt proportional dem Quadrat
der Entfernung ist. Bewegt sich nämlich
ein Körper mit der gleichbleibenden Ge
schwindigkeit v auf dem Umfang eines
Kreises vom Halbmesser r, so ist den Ent
wickelungen im Art. »Zentrifugalkraft«
zufolge die Beschleunigung der Zentri
fugalkraft f=-y. Braucht nun der Kör
per zur Zurücklegung des ganzen Kreis
umfangs die Zeit u (in Sekunden),
so ist v=-und daher