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Keplersche Gesetze.
Die äußern Verhältnisse Keplers waren
inzwischen nach wie vor drückende ge
blieben. Nachdem er die kaiserliche Hof
kammer vergeblich um Auszahlung sei
ner auf 12,000 Fl. angewachsenen Ge-
haltsriickstände gedrängt hatte, wurde er
vom Kaiser an'Wallenstein verwiesen
und ging deshalb zu diesem nach Sagan.
Allein Wallenstein hieß K. wohl als
Astrologen willkommen, verhalf ihm aber
nicht zu seiner Forderung, und so ent
schloß sich K., nachdem er eine ihm ange
botene Professur zu Rostock abgelehnt, im
Herbst 1630 über Leipzig nach Regensburg
zu reisen, um dort auf dem Reichstag seine
Ansprüche geltend zu machen. Hier erlag
er einem Fieberanfall, den er sich durch
die Anstrengungen der langen, zu Pferd
zurückgelegten Reise zugezogen hatte.
K. verband mit einer regen Phan
tasie und hoher Begeisterung für die Natur
und ihre Erkenntnis zugleich ein ausge
sprochenes Talent für Beobachtung und
Erforschung der Wahrheit auf dem Weg
der Induktion, und seine Auffindung der
Gesetze der Planetenbewegung kann als
das erste großartige Beispiel der Anwen
dung der induktiven Methode mit Be
nutzung derMathematik hin gestellt werden.
Sein reicher litterarischer Nachlaß kam
nach mancherlei Schicksalen an die Peters
burger Akademie. Eine Gesamtausgabe
seiner Werke in 8 Bänden lieferte Frisch
(1858-72).
Keplersche Gesetze heißen die drei von
Kepler aufgefundenen Gesetze der Pla
netenbewegung, welche auch für die in ge
schlossenen Bahnen um die Sonne lau
senden Kometen sowie die um einen
Hauptplaneten sich bewegenden Monde
gelten. Die zwei ersten, welche er in sei
ner 1609 (in lateinischer Sprache) ver
öffentlichten »Neuen Astronomie« aufge
stellt hat, lauten:
Erstes Gesetz: die Planeten bewegen
sich in Ellipsen, in deren einem Brenn
punkt die Sonne steht. Zweites Ge
setz: der Leitstrahl (oder Radius Bector,
d. h. die Verbindungslinie zwischen den
Mittelpunkten der Sonne und des Pla
neten) überstreicht in gleichen Zeiten
gleiche Flächen. Erst zehn Jahre später,
in der 1619 veröffentlichten »Harmonie
der Welt« (lat.), hat er das dritte Gesetz
mitgeteilt. Drittes Gesetz: die Qua
drate der Umlaufszeiten zweier Planeten
verhalten sich wie die Kuben ihrer mitt
lern Abstände von der Sonne.
Durch daS erste dieser Gesetze wurde
die seit dem Altertum herrschend gewesene,
auch noch von Kopernikus festgehaltene
Ansicht, daß die Bewegung der Planeten
in Kreisen vor sich gehe oder wenigstens
auf gleichförmige Kreisbewegungen (mit
denEpicykeln)zurückgeführt werden könne,
dauernd beseitigt.
Bedeutet in unsrer Figur 8 die Sonne
(genauer den Sonnenmittelpunkt) u AA,
die Hauptachse der Ellipse, so nenut man
den PunktAdasPerihel oder die Son-
nennähe, den Punkt A* dagegen das
Aphel oder die Sonnenferne. Wenn
der Planet in dem erstgenannten Punkt
steht, so ist er der Sonne am nächsten; im
Aphel dagegen erreicht der Planet seinen
größten Abstand von der Sonne. Im
erstgenannten Punkt wird einem Bewoh
ner des Planeten die Sonne am größten
erscheinen, während sie ihren kleinsten
scheinbaren Durchmesser hat, wenn der
Planet im Aphel steht. Bei den meisten
der größern Planeten ist dieser Unter
schied nur unbedeutend. So ist für die
Erde der kleinste Sonnendurchmesser, wel
cher gegen Ende Juni zu beobachten ist,
31' 30,8", wogegen der größte Wert dessel
ben. der Ende Dezember eintritt, 32' 3b,s"
beträgt. Es rührt dies daher, daß die Bah
nen der Erde und der übrigen größern
Planeten nicht wesentlich von Kreisen ab
weichen. Bezeichnet nämlich 0 den Hal-