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Astrologie (Orient,
Ägypter, Griechen).
bestimmen. Obwohl der Grundgedanke
der A. falsch und diese eine seltsame Ver
irrung des menschlichen Geistes ist, so hat
sie doch eine hohe kulturgeschichtliche Be
deutung, und auch die wissenschaftliche
Astronomie verdankt ihr vieles.
Die Wiege der A. stand im Orient.
Die Bewohner der weiten Ebene zwischen
Euphrat und Tigris scheinen die ersten
Sterndeuter gewesen zu sein; auf sie fol
gen die Ägypter. Ohne Zweifel hat sich
die A. aus dem Sternkultus entwickelt,
und von diesem bis zu jener ist kein weiter
Schritt: wenn der naive Sinn der Natur
völker in den Gestirnen göttliche Wesen
erblickte, so lag es nahe, denselben auch
einen Einfluß auf das Schicksal des Ein
zelnen wie der Völker zuzuschreiben, den
man aus ihrer Stellung zu erkennen ver
mag. Das Dunkel, welches früher über
der ältesten Geschichte der mesopotamischen
Thalebene ruhte, beginnt sich mehr und
mehr zu lichten, dank der in den letzten
Jahrzehnten dort vorgenommenen Aus
grabungen und der Entzifferung der hier
bei gefundenen Keilinschriften. Auf diese
Weise haben wir erfahren, daß schon die
ältesten Bewohner dieser Gegenden, die A k -
kad ier, dem Sterndienst huldigten, und
da auch in ihrer Sprache sich Ausdrücke
vou astronomischer und astrologischer Be
deutung finden, so ist es wahrscheinlich,
daß sie bereits die Sterndeutung betrieben
und dann auf die semitischen Bewohner
dieser Gegenden vererbt haben. Auf dem
selben Weg haben wir auch von dem viel
leicht ältesten Denkmal der A. Kunde er
langt, dem großen astronomisch-astrologi
schen Werk Saigons I. von Agane, wel
ches in der Bibliothek des Königs Assur-
banipal entdeckt wurde und kürzlich von
dem Engländer Nawlinson veröffent
licht worden ist. Aus ihm ist ersichtlich,
daß die ältesten Astrologen jener Gegenden
besonders den Mond sowie die Planeten
Venus und'Mars zu beobachten pflegten
und auf den gegenseitigen Stand derselben
Wert legten; auch den Finsternissen wurde
große Bedeutung beigemessen. Im ganzen
aber erscheint die Sterndeuterei jener Zeit
höchst einfach im Vergleich mit ihrer spä
tern Eittwickelung.
Nur wenig Bestimmtes ist uns bekannt
über den eigentlichen Charakter der älte
sten A. bei den Ägyptern, das Eine aus
genommen, daß dieselbe bei ihnen schon
früh in Bezug zur Heilkunde trat. Übri
gens vermutet man, daß die ägyptischen
Astrologen ihre Hauptaufmerksamkeit auf
die Stellung von Sonne und Mond zu
den Tierkreiszeichen gerichtet haben.
Bei den Griechen und Römern be
zeichnete man anfangs lange die Astrono
mie mit dem Namen A. Im Lateinischen
wurde letztere gewöhnlich mathe8Ì8 ge
nannt, und die Sterndeuter hießen Chal-
daei, Babylonii, mathematici, ge
nethliaci oder planetarii. Die Griechen
empfingen die A. von den Chaldäern.
Herodot berichtet, daß der Magier Ostha-
ncö, der den Perserkönig Xerxes auf sei
nem Zug nach Griechenland begleitete,
den orientalischen Aberglauben bei ben
Hellenen zu verbreiten gesucht habe. Von
dem Baalspriester Berosus aber wird er
zählt, daß er durch seine Weissagungen
außerordentliches Ansehen erlangt habe,
so daß ihm die Athener von Staats wegen
eine Bildsäule mit vergoldeter Zunge er
richteten. Von Bedeutung für die Kennt
nis des Inhalts der griechischen A. ist ein
griechisches Gedicht des Maximus, in wel
chem für die verschiedenen Verhältnisse
und Vorkommnisse deö gewöhnlichen Le
bens Regeln gegeben werden, die alle an
den Stand des Mondes anknüpfen. Wäh
rend sonach die A. des Maximus einen
rein lunaren Charakter hat, ersehen wir
aus einigen Mitteilungen des griechischen
Astronomen G eminus, der im 1. Jahrh,
v. Chr. in Rom lebte, daß die Astrologen
seiner Zeit nicht mehr bloß darauf achte
ten , an welcher Stelle im Tierkreis eins
der sieben Hauptgestirne (Sonne, Mond,
Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn)
stand, sondern daß sie auch die gegenseitige
Stellung dieser Gestirne in Betracht zogen.
Übrigens ist Geminus ein entschiedener
Gegner des astrologischen Aberglaubens,
der damals in Rom Eingang zu finden
begann. Zu bemerken ist noch, daß nach
dem Urteil eines neuern Forschers, A.
H ä b I e r s, die A. besonders in der Philo-
sophenschulc der Stoiker Verbreitung ge-