Full text: Lexikon der Astronomie

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Sonne (Beschaffenheit der Flecke). 
Zu den ersten Beobachtern der Sonnen 
flecke gehört auch der englische Mathe 
matiker Harriot, der sie zuerst 12. Dez. 
(alten Stils) 1610 bemerkte und, nach 
dem er 19. Jan. 1611 die S. völlig flecken 
frei gefunden, vom 1. Dez. 1611 an eine 
I V« Jahr lang fortgesetzte Beobachtungs 
reihe durchführte, deren Ergebnisse Pro 
fessor Wolf in Zürich (1858) benutzen 
konnte. Auch der Ansbacher Mathemati- 
kus Simon Marius hat vom 3. Aug. 
1611 an mehrere Jahre hindurch den 
Sonnenflecken seine Aufmerksamkeit zu 
gewandt, seine Aufzeichnungen sind aber 
verloren gegangen. 
Große Sonnenflecke sind in einzelnen 
Fällen schon weit früher bemerkt, aber irr 
tümlich für einen der untern Planeten 
gehalten worden. Wir wissen jedoch, daß 
die dunkeln Scheiben am Merkur oder 
Venus zu klein sind, um mit bloßem Auge 
auf der S. erkannt zu werden. Doch hat 
selbst noch Kepler 1607 einen Sonnen 
fleck für den Merkur gehalten, und ebenso 
ist wohl auch der vermeintliche Merkur 
durchgang zu erklären, den der arabische 
Gelehrte Arerrhoes (gest. 1198) beobach 
tet haben wollte. Die dem Eginhard zu 
geschriebenen Annalen der Frankenkönige 
Pippin, Karl d. Gr. und Ludwig berich 
ten, daß 807 der Merkur als ein kleiner 
schwarzer Fleck acht Tage lang auf der S. 
sichtbar gewesen sei. Auch von den alten 
Peruanern sind die Sonnenflecke bemerkt 
worden, und dem 1525 verstorbenen Inka 
Huayana Eapac sollen infolge solcher 
WahrnehmungenZweifel an der göttlichen 
Natur der S. aufgestiegen sein. Die 
ältesten Berichte über schwarze auf der 
Sonuenschcibe beobachtete Flecke finden 
wir aber bei den Chinesen. A. Ho sin 
in Kanton hat vor einigen Jahren aus 
einer chinesischen Encyklopädie ein Ver 
zeichnis von zahlreichen solcher Beobach 
tungen veröffentlicht, das von 28 v. Chr. 
bis 1617 n. Ehr. reicht. 
Fabricius wie Galilei hegten keinen 
Zweifel daran, daß die Sonneuflecke der 
Sonnenoberfläche selbst angehören; Schei- 
ner dagegen scheint sie anfangs für dunkle 
Körper, die um die S. laufen, gehalten zu 
haben, wie eine 1614 zu Ingolstadt unter 
seinem Vorsitz von Locher verteidigte Dis 
sertation bezeugt. Später hat derselbe 
allerdings diese irrige Ansicht aufgegeben, 
und ihm verdankt man die erste Bestim 
mung der Rotationszeit der S. und der 
Lage ihrer Drehungsachse aus den Beobach 
tungen der Flecke. So befremdend war 
aber der Mehrheit der damaligen Gelehr 
ten der Gedanke, daß die S., die man als 
Sinnbild der Reinheit zu betrachten ge 
wohnt war, Flecke haben sollte, daß nach 
1620 der Kanonikus Tarde zu Sarlet 
ein Buch in lateinischer Sprache unter 
dem Titel veröffentlichte: »Die Bourboni- 
schen Gestirne, das sind Planeten, welche 
die S. umkreisen in eigner und regel 
mäßiger Bewegung und fälschlich bisher 
von den Sonnenbeobachtern Sonnen 
flecke genannt worden sind«. Während 
Tarde die Flecke dem König Ludwig XIII. 
zu Ehren, unter dessen Reaierung sie ent 
deckt waren, Bourbonische Gestirne (Sidera 
Borbonica) nannte, wollte sie sieben Jahre 
später der belgische Jesuit Malapert 
dem Haus Österreich zu Ehren Öster 
reichische Gestirne (8iäera ààiaca) 
nennen. Auch später noch begegnet man 
hin und wieder der Ansicht, daß die Son 
nenflecke -um die S. laufende dunkle 
Körper seien; so bei dem als Mystiker be 
kannten Swedenborg, einem übrigens 
in den Naturwissenschaften wohlbewan 
derten Mann, in seinen 1734 erschienenen 
»Prinzipien der Naturwissenschaften« 
(»Principia rerum naturalium«). 
6) Die Beobachtung durch kräftigere 
Fernrohre zeigt uns, daß die Sonnenflecke 
nicht einfach schwarze Punkte sind, sondern 
in der Regel au§ zwei Teilen bestehen, 
dem dunkeln Kern oder der Umbra 
und dem ringsherum liegenden Hellern 
Hof oder der Penumbra. Bei kleinern 
Flecken fehlt nicht selten der Hof, und 
ebenso kommen Penumbren ohne Kern 
flecke vor. Die Kerne sind übrigens nicht 
schwarz, wie man auf den ersten Blick 
glauben könnte; sie erscheinen vielmehr, 
verglichen mit den Planeten Merkur oder 
Venus, wenn diese vor der S, vorbei 
gehen, nur grau, und L a n g l e y bat neuer 
dings gesunden, daß selbst die dunkelsten 
Kerne noch 500mal heller sind als der Voll-
	        
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