Full text: Lexikon der Astronomie

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Taq. 
Unsre Erde hat sich der gegenwärtigherr 
schenden geologischen Theorie zufolge früher 
einmal in glutflüssigem Zustand befunden 
und ist durch Ausstrahlung von Wärme 
in den Weltraum mehr und mehr erkaltet. 
Mit dieser Erkaltung ist aber zugleich eiu 
Zusammenziehen des Erdkörpers verbun 
den, die Teilchen sind dadurch der Dre 
hungsachsenäher gerückt, und dies hat nach 
mechanischen Gesetzen eine Beschleunigung 
der Rotation zur Folge. Es muß daher 
in früherer Zeit, als unser Planet sich noch 
in einem Zustand stärkerer Erwärmung 
befand, die Rotationszcit und also die Länge 
des Sterntags eine größere gewesen sein. 
Nun dauert aber der Erkaltnngsprozeß 
unsrer Erde wahrscheinlich auch jetzt noch 
fort; derselbe hört erst dann auf, wenn 
infolge genügender Abkühlung der durch 
die Ausstrahlung der Wärme in den Welt 
raum verursachte Verlust gerade ausge 
glichen wird durch dieStrahlung derSonne. 
Daß dies jetzt der Fall sei, ist nicht erwie 
sen, und daher müssen wir annehmen, daß 
auch jetzt noch die Erde eine wenn auch 
nur langsam vorschreitende Zusammen 
ziehung erfährt. Nun würde aber eine 
Erkaltung der Erde um */»0° C. eine Ver 
kleinerung des Erdhalbmessers um 1 m 
herbeiführen, und damit würde eine Ver 
kürzung der Tageslänge um Sekunde 
verbunden sein. Ferner gehen infolge 
plutonischer und neptnnischer Wirkungen 
im Innern der Erde wie auch an ihrer 
Oberfläche großartige Massenumsetzungen 
vor sich, durch welche einzelne Massenteil 
chen der Drehungsachse näher gebracht, 
andre wieder von ihr entfernt werden. 
Dadurch können ebenfalls Änderungen der 
Umdrehungszeit bewirkt werden, ja es ist 
einleuchtend, daß diese sogar plötzlich in 
folge größerer Senkungen oder Einstürze 
von Hohlräumen stattfinden können. Frei 
lich wird der Versuch, diese verschiedenen 
Wirkungen und ihr Zusammenwirken in 
Rechnung zu ziehen, wohl immer aus 
sichtslos bleiben, und man muß sich be 
gnügen, auf diese Weise die Möglichkeit 
einer Änderung der Rotationsdauer der 
Erde erkannt zu haben. 
Nun gibt es aber eine Klasse astrono 
mischer Erscheinungen, welche ebenfalls 
auf eine Änderung der Dauer des Stern 
tags deuten. Von den Bewegungen der 
Himmelskörper sind nächst denen der Erde 
die des Erdmonds am genauesten durch 
die Beobachtungen festgestellt, und dem ent 
sprechend hat man auch die Theorie dieser 
Bewegungen zu vervollkommnen und die 
verschiedenen Ungleichheiten derselben theo 
retisch festzustellen versucht. Unter diesen 
Ungleichheiten ist nun eine, die sogen. 
Acceleration (s. d.), welche durch die 
Theorie bis jetzt noch nicht in völliger 
Schärfe dargestellt worden ist. Die Ab 
weichungen zwischen Theorie und Beob 
achtung können nun in Änderungen des 
gebräuchlichen Zeitmaßes, des Sterntags, 
ihren Grund haben, und dann sprechen die 
neuesten, von dem Amerikaner Newcomb 
durchgeführten Untersuchungen über die 
Mondbewegung für eine geringe Vergröße 
rung der Tageslänge in historischer Zeit. 
Wenn diese Erklärung richtig ist, so 
müssen sich ähnliche Abweichungen auch bei 
andern Himmelskörpern geltend machen, 
über deren Bewegungen wir genaue, einen 
hinlänglich großen Zeitraum umfassende 
Beobachtungen besitzen. Hier würde zu 
nächst der erste Jupitermond in Betracht 
kommen. Bis jetzt haben sich aber die über 
diesen vorliegenden Beobachtungen noch 
nicht als ausreichend zur Entscheidung er 
wiesen. 
Anderseits ist es auch möglich, daß jene 
Abweichungen der Theorie von den Beob 
achtungen ihren Grund haben in Unvoll 
kommenheiten der Theorie, daß namentlich 
die Einwirkungen der Planeten noch nicht 
mit hinlänglicher Genauigkeit in Betracht 
gezogen sind. Für eine solche Deutung 
spricht der Umstand, daß die Abweichun 
gen in den letzten dritthalbhundert Jahren 
einen periodischen Charakter haben. 
Man kann die Länge des Sterntags 
finden, wenn man einen Firstern bei sei 
nem Durchgang durch den Meridian be 
obachtet und die Zwischenzeit bis zum 
nächsten Durchgang an derselben Stelle 
ermittelt. Als Anfangspunkt des Stern 
tags nehmen die Astronomen den Augen 
blick an, in welchem der Frühlingspunkt 
durch den Meridian geht. In diesem Au 
genblick ist es 0 Uhr Stern zeit. Man
	        
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