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schwächt hindurchlassen, keine Beleuchtungserscheinungen
und kei n Sichtbarwerden gibt, ebensowenig gibt es für solche Flächen
einen Schlagschatten.
Diesen Analogien zufolge können wir, ähnlich wie wir in der
Mathematik mit positiven und negativen Größen rechnen, den Schlag
schatten gewissermaßen als „negatives Licht“ bezeichnen und
können somit für diesen Fall behaupten, dass mit dem positiven
Lichte auch das negative, d. h. der Schlagschatten vollständig uud
spurlos absorbiert, reflectiert oder durchgelassen werde.
Je vollkommener spiegelnd eine Fläche ist, desto weniger
wird irgend ein Schlagschatten auf derselben wahrzunehmen sein.
In der Natur selbst gibt es bezüglich der „Reflectionsfähig-
keit“ der Flächen unendlich viele Abstufungen und ist es Aufgabe
des Malers, bei Andeutung der Schlagschatten hierauf Rücksicht zu
nehmen.
Zum Schlüsse dieser allgemeinen Betrachtungen über die
Durchführung der Schattierung sei noch bemerkt, dass man auch mit
unter bei Körpern, welche von ebenen Seitenflächen begrenzt
werden, die einzelnen Seitenebenen nicht so, wie es den ge
pflogenen Auseinandersetzungen zufolge sein müsste,
durchaus in allen ihren Punkten gleichmäßig behandelt und gleich
stark schattiert, sondern vielmehr gewisseModificationen in der
Beleuchtung einer und derselben Ebene eintreten lässt.
So pflegt man beispielsweise die im Selbstschatten liegenden
Flächen in der Nähe jener Kante, in welcher besagte Flächen mit
einer beleuchteten Fläche zusammenstoßen, wesentlich dunkler zu
halten.
Die Rechtfertigung für diese Gepflogenheit ist, nach den früher
angeführten Gründen, auch diesfalls nicht etwa in einer anzustrebenden
Contrastwirkung, die sich ohnehin von selbst ergibt, zu suchen.
Wenn durch diese nicht ungewöhnliche Behandlungsweise der
Schattierung mitunter recht günstige Eifecte erzielt werden, so liegt
die Ursache darin, dass man durch Einführung der Beleuchtungs
modalitäten die unter der Gruppe b), §. 339 und 340 angeführten
physiologischen Eigenthümlichkeiten berücksichtigt und
eine Unterscheidung nach „Vorder- und Hintergrund“ macht,
welche über die praktisch ungereimte Annahme eines un
endlich fernen Auges hinwegtäuscht.
Obzwar die besagte Unterscheidung mit der getroffenen Voraus
setzung, dass sich das beobachtende Auge in unendlicher Entfernung
von dem dargestellten Gebilde befinde, nicht verträglich ist, so wird