fullscreen: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

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I. Abschnitt: Altertum und Mittelalter. 
Null möglich war, so läßt sich nicht leugnen, daß ihre Zahlendarstellung 
eine schwerfällige, das Rechnen mit Zahlen erschwerende gewesen ist. 
Tatsächlich war auch das Rechnen bei den Römern kein bequemes und 
leichtfaßliches; Rechnen lernen‘ kostete die Schüler viel Zeit und Mühe, 
was auch von Horaz und Juvenal beklagt wird, und da das Rechnen nur 
zur Geldrechnung verwandt wurde, so fehlte dem Unterricht darin jedes 
geistbildende und ethische Moment, weshalb einsichtige Männer diese lang- 
wierige Art des Rechenunterrichts als einen Krebsschaden der ganzen Er- 
ziehung betrachteten. 
Von unseren Rechnungsoperationen kannten die Alten nur die ersten 
vier: Addieren (ovvrWEyaı, addere, summam facere), Subtrahieren (öpaucsiv, 
deducere), Multiplizieren (moAiamiaoıdlew, multiplicare, tria quater ducere), 
Dividieren (usg(Cew, dividere). Diese wurden im Elementarunterricht von 
dem ludi magister gelehrt. Verwickeltere Rechnungen zu lehren war 
die Aufgabe des calculator, 
Die oben genannten vier Spezies stellen ganz ungleich frühe Entwick- 
lungsstadien der Menschheit dar: Diese zählte zuerst Einheiten, dann zählte 
sie sprungweise (addieren, subtrahieren), und erst später schwang sie sich 
zur Abstraktion der Multiplikation und Division auf. So lehrt der Gram- 
matistes der Griechen, der ludi magister der Römer wie der heutige Elemen- 
tarlehrer die vier Operationen in der Befolgung des geschichtlichen Ent- 
wicklungsganges. 
Wie auf dem Rechenbrett Additionen und Subtraktionen durch Hin- 
zulegen und Fortnehmen der Marken vollzogen werden konnten, ist leicht 
einzusehen. Schwieriger war schon das Multiplizieren. .Dabei war das 
Kopfrechnen und die Kenntnis des Einmaleins nicht zu entbehren, und 
30 mußten die römischen Knaben Kopfrechnen üben und das Einmaleins 
lernen. Zur Einübung und besseren Einprägung ließ der Lehrer alle Knaben 
gleichzeitig das Einmaleins im Chore laut aufsagen (bis bina quattuor 
decantare). Waren höhere Zahlen zu multiplizieren, so wurden Produkten- 
tafeln, tabellarisch geordnete Rechenknechte zu Hilfe genommen, wie 
uns ein solcher Rechenknecht in dem Calculus des Victorius noch erhalten 
geblieben ist.!*) Bei der Division fehlt den Alten noch der Begriff des 
Quotienten; wir kennen auch nicht die Regeln, nach denen eine Division 
vollzogen wurde, da uns kein Beispiel einer vollständig durchgeführten 
Division erhalten geblieben ist. Das Potenzieren kommt im Altertum 
nirgends als Operation vor. Quadrat und Kubus sind in ihm noch geo- 
metrische Begriffe. Wohl kannte man eine Methode des Ausziehens der 
Quadratwurzel mit Hilfe von Sexagesimalbrüchen, wie vorher schon be- 
merkt ist, allein die Kunst verstanden nur wenige Mathematiker, so 
daß die Alten gar nicht auf den Gedanken kommen konnten, sie schon 
in den Schulen zu lehren. Für diese bildete die Bruchrechnung das
	        
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