Full text: Lehrbuch der Perspective für bildende Künstler (Text)

bei Handlungen im umschlossenen Raume gewöhnlich in der 
Höhe des Auges eines sitzenden Menschen. Bei Portraits nimmt 
man den Gesichtspunkt gern mindestens 1 Fuß unterhalb der Augen 
höhe der darzustellenden Person an, damit im Bilde das Terrain oder 
untere Theile der Architektur nicht Kopf und Schultern des Portraits 
umgeben, diese sich vielmehr von einem gleichartigen Hintergründe, 
dem Himmel oder einer Wandfläche, absetzen. Bei Stillleben ist 
die passendste Höhe des Gesichtspunktes ungefähr in der Höhe des 
Mittelpunktes der darzustellenden Gruppe; bei Landschaften ent 
scheidet allein der gute Geschmack. Im Allgemeinen wird es in 
bildlichen Darstellungen einen weniger unangenehmen Eindruck machen, 
wenn der Gesichtspunkt etwas zu tief angenommen, als wenn derselbe 
zu hoch gewählt worden. 
Die Wahl des Abstandes des Gesichtspunktes (Distanz) 
von dem darzustellenden Objecte wird durch strengere Rücksichten 
geleitet. Zunächst ist daran zu erinnern, daß das Auge bei seiner 
Beweglichkeit ohne Kopfwendung allenfalls einen Raum, ein Ge 
sichtsfeld, zu übersehen vermag, welches von einem Gesichtslinien 
kegel eingeschlossen wird, der an seiner im Auge liegenden Spitze 
den Winkel von ungefähr 100° hat. Es lassen sich hierbei jedoch 
die äußersten Objecte nur mit Anstrengung wahrnehmen, und nur 
die Objecte, welche innerhalb eines Gesichtslinienkegels von nur 
ungefähr 45° an der Spitze liegen, lassen eine genaue und zu 
gleich körperlich bequeme Betrachtung zu. Da nun genau dieselben 
Rücksichten, welche den Abstand des Auges vom Objecte bedingen, 
auch für den Abstand des Auges von der Bildfläche bestehen, so 
würde die Wahl eines größeren Gesichtsfeldes, als 45° nicht allein 
die Auffassung des natürlichen Objectes erschweren, sondern auch 
die Betrachtung seiner , bildlichen Darstellung ohne Kopfwendung 
unbequem machen. 
Nimmt man beispielsweise ein aufgerichtetes lothrecht stehendes 
Object in Betracht, so würde ein Gesichtsfeld von 45° einen 
Abstand des Auges von dem Objecte bedingen, welcher gleich der 
Höhe des letzteren ist. Denn wäre das Object ein Thurm, wie in 
Fig. 2, so wird derselbe nur für ein Auge O, welches ungefähr so
	        
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