Full text: Lehrbuch der Perspective für bildende Künstler (Text)

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lassen vermögen, gelten Wasser und farbloses, sogenanntes weißes 
Glas. 
Andere ebenfalls farblose durchsichtige Körper haben diese Eigen- §. 60. 
schaft nicht, wie z. B. der Wasserdampf (welcher sonst alle Farben 
strahlen des weißen Lichtes in gleichem Verhältnisse durchläßt) wäh 
rend des Uebergangs in den dunstförmigen Zustand oder 
während der Rückkehr aus demselben. Indem er hierbei die 
anderen Farben meist absorbirt, läßt er vorzugsweise die rothen und 
gelben Strahlen durch. So entstehen die Erscheinungen der Ab entz 
ünd Morgenröthe, welche zu Tageszeiten auftreten, an welchen 
der in der Atmosphäre schwebende Wasserdampf sich in dem gedachten 
Uebergangszustande befindet und die schwachen Farben nicht durch 
das grelle Sonnenlicht verdunkelt werden. 
Haben durchsichtige Körper eine gewisse Farbe, so lassen sie be- §. 61. 
sonders die Strahlen ihrer Farbe durch und absorbiren oder modifi- 
ciren wenigstens die anderen. Deshalb scheinen Objecte, welche man 
durch ein farbiges Glas betrachtet, von der Farbe dieses Glases 
zu sein. 
Die letzterwähnte Modificirung wird merklich an den von weit 
entfernten Objecten her in das Auge reflectirten Farben. Die helle 
gelblich weiße Farbe der Spitzen sehr entfernter Schneeberge vermag 
wegen ihrer Lichtstärke die blaue Luftmasse so weit zu durchdringen, 
daß sie dem Auge noch ziemlich erkennbar, wenngleich durch blau 
modificirt, ist. Sind jene Spitzen durch die Morgen- oder Abend- 
röthe gefärbt, so erscheinen sie violettlich. Die dunkleren, weniger 
lichtstarken Farben jener Berge aber und der Schatteumassen der 
selben gelangen kaum merklich verschieden von der Farbe der Luft 
in das Auge. 
Da bis hierher nur von den mit der Lichtbrechung zusam- §. 62. 
menhängenden Farbenerscheinungen die Rede gewesen, bleibt noch 
übrig, die bei der Lichtreflexion auftretenden anzuführen: 
Wegen der mit jeder Reflexion verbundenen Störung der 
Vibrationsgeschwindigkeiten der das weiße oder vielmehr farblose Licht 
bildenden einzelnen Farbenstrahlen ist das farblose Licht auch 
nach der Reflexion etwas geschwächt und durch die dabei statt-
	        
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