Full text: Lehrbuch der Perspective für bildende Künstler (Text)

MNMHHMHMH 
63 
genau an der Stelle, aus welche vorher das Roth wirkte, den Ein 
druck des Grünen. In gleicher Weise tritt nach jeder andern Farbe 
die entsprechende complementäre Farbe als farbiges Nachbild auf. 
Farbenerscheinungen, welche wie diese ans einem in der Netz 
haut selbst begründeten Zustande hervorgehen, nennt man subjective 
oder physiologische Farben. 
Hierzu gehört auch das gleichzeitige Auftreten durch den §. 10!>. 
Contrast hervorgerufener complementärer Farbenerschei 
nungen. Beleuchtet z. B. die untergehende Sonne Theile einer 
schneebedeckten Landschaft mit orangefarbigem Lichte, so erscheinen 
die Schatten nicht allzu breiter Objecte, selbst wenn der übrige 
Himmel bezogen ist, in lebhaftem Blau (farbige Schatten); oder, 
ist die Färbung der Wolken bei untergehender Sonne intensiv roth, 
so erscheinen die zwischen den Wolken sichtbaren Theile des Himmels 
grünlich. Betrachtet man ein lebhaft roth gefärbtes Zeug, welches 
mit kleinen schwarzen oder weißen Flecken gemustert ist, so erkennt 
man im ersten Augenblicke genau die Farblosigkeit der Flecken; bei 
längerem Verweilen des Auges jedoch nehmen dieselben scheinbar die 
zu roth complementäre Farbe grün an. Ebenso treten neben den ande 
ren Farben jedesmal die entsprechenden complementären Farben auf. 
Neben diesen letzteren durch den Contrast hervorgerufenen sub- 8. 110. 
jectiven Erscheinungen sind auch diejenigen zu erwähnen, welche schon 
aus der Nebeneinanderstellung von hell und dunkel überhaupt entstehen. 
Sie erklären sich vornehmlich durch das §. 105 über die Blendung 
Gesagte. Legt man z. B. einen Streifen graues Papier quer über 
ein Blatt Papier, dessen eine Hälfte schwarz, die andere weiß ist, 
so erscheint der Theil des Streifens auf dem weißen Grunde viel 
dunkler als der Theil aus dem schwarzen Grunde; oder malt man 
eine Scala von schwarz zu weiß regelmäßig abgestufter grauer Töne 
unvermischt neben einander, so scheint jede Tonstufe nach der dunk 
leren Nachbarschaft zu heller, nach der helleren zu dunkler zu sein. 
Die subjectivcn Farbenerscheinungen sind übrigens so complicirter 
Art, daß eine allseitig befriedigende Erklärung dafür bis jetzt nicht 
hat aufgestellt werden können. In Obigem ist die am meisten ver 
breitete Ansicht wiedergegeben worden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.