Full text: Die Perspektive als selbständige Darstellungsweise

Vorwort. 
IV 
2. Daraus erhellt, dass im Bilde die ersteren nie, die letzteren aber i m m e r 
als perspektivische Bilder betrachtet und stets auch als solche verwendet werden 
können. 
3. Das Grundprinzip jeglichen perspektivischen Darstellens ist die durch Beob 
achtung allerorts sich bestätigende Erscheinungsthatsache, dass parallele Linien der 
Wirklichkeit nach gewissen Punkten zu konvergieren scheinen — „verschwinden“. Der 
erforderliche Nachweis hierfür ist bisher nicht nur in den verschiedenen, sondern auch 
in den einzelnen Lehrbüchern der Perspektive auf verschiedene Weise geführt worden. 
Zumeist geschieht es auf Grund centralprojektivischer (Schreiber 1 ), § 20; Hetsch 2 ), 
§ 0; Dietzel % $ 11), nicht selten aber auch unter Anziehung physikalischer 
(Schreiber, $ 8; Hetsch. § 16; Dietzel, § 28) uiid stereometrischer (Hetsch, § 37; 
Dietzel, § 29) Lehrsätze, stets jedoch unter Zuhilfenahme der als centralproj izie- 
rende Linien gebrauchten Sehstrahlen des Beobachters. Solche Seh 
strahlen aber sind dem Charakter der Perspektive völlig zuwider. Sie sind 
es, die den Perspektivjünger in der Regel vorerst irreleiten. So verwechselt er häufig 
ihre th at sä cli liehe Konvergenz mit der scheinbaren Konvergenz paralleler 
Linien, von denen zudem die erstere eine Konvergenz nach dem Beschauer, die 
letztere aber eine nach der Ferne hin ist. In gleicher Weise hält er nicht 
selten orthogonale Projektionen des Projektionscentrums (des Ursprunges jener ,.Seh 
strahlen“) einer centralprojektivisch gelösten perspektivischen Musteraufgabe seines Lehr 
buches für irgendwelche Verschwindepunkte. Zum unentwirrbaren Chaos aber muss 
ihm eine derartige Aufgabe werden, wenn in ihr, wie das auch zu finden ist (Dietzel, 
§ 19 und 20, Fig. 18 — 20), eine oder mehrere solcher Projektionen mit einem Ver 
schwindepunkt zusammengelegt sind. 
Das vorliegende Lehrbuch will, wie erwähnt, mit solchem Dualismus brechen 
und versucht, die Perspektive zur selbständigen Darstellungsweise dadurch zu erheben, 
dass es für obige als perspektivisches Grundprinzip bezeichnete Erscheinungsthatsache eine 
dem Charakter, der Perspektive angepasste Beweisführung bietet — die 
Perspektive also zurückführt auf die eigenen Grundfesten — und auf diesen Grund 
festen das Lehrgebäude weiterbaut nach nur spezifisch perspektivischen, ein 
fachen und einheitlichen Gesetzen. 
Auch dürfte es zufolge der Unterscheidung zwischen leichter und schwerer 
Accidentalstellung, der Zerlegung des Begriffes „Teilungspunkt“ in die Begriffe 
Mess punkt und Teil p u n k t, der Darbietung eines wesentlich vereinfachten 
Verfahrens für perspektivische Kreiskonstruktionen und der An 
wendung einer durch'gehends sachgemässen Terminologie anderweit zu 
der nötigen Klärung und zur Erhöhung der Wertschätzung des Perspektivstudiums bei 
zutragen geeignet erscheinen. 
Die landschaftlichen und figürlichen Beigaben in den Figuren und Muster 
motiven sind die Arbeit eines Seminartertianers. 
Grimma, im Januar 1894. 
P. Gehler. 
') G. Schreiber, »Lehrbuch der Perspektive.« Leipzig 1886. 
*) G. F. Hetsch, »Anleitung zum Studium der Perspektive.« Leipzig 1887. 
'■') Dr. C. F. Dietzel, »Die Elemente der Perspektive.« Leipzig 1887.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.