Full text: Lehrbuch der Schattenkonstruktion und Beleuchtungskunde

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Kapitel XI. Artikel 87, 88. 
Lichtdrucktafel (Partie vom Palast Strozzi in Florenz) 
bietet ein Beispiel für die beschriebene Reflexrichtung 
und solche „Gegenschatten“, ebenso das Gebälk der dori 
schen Säulenordnung aus der Renaissance auf der vierten 
Lichtdrucktafel. Die unter dem Gebälk stehende Säule 
ist als Drehungsfläche mit den zuerst genannten, für die 
Kugel eingeführten Reflexlichtwirkungen schattiert, so dass 
in diesem Beispiel vier Reflexlichtwirkungen unterschieden 
werden können und streng genommen ein unschädlicher 
Widerspruch zwischen der Schattierung von Gebälk und 
Säule besteht. 
Noch andere Annahmen über die Richtung des Reflex 
lichtes gegenüber dem direkten Licht sind nicht aus 
geschlossen und werden besonders in Deutschland beim 
Schattieren von architektonischen Aufrissen und Per 
spektiven häufig getroffen, wogegen sich die französischen 
Darstellungen strenger an die zuvor beschriebenen zu 
binden pflegen. Zuweilen wird im Schlag- und Körper 
schatten weiter schattiert, als ob das Reflexlicht mit dem 
direkten annähernd gleichgerichtet und nur weit schwächer, 
zuweilen auch, als ob es gar nicht da wäre, und für klei 
neren Massstab ist diese letzte Annahme die dankbarste. 
Die Erfahrung und die Beobachtung der Photographie 
kann lehren, dass fast alle Annahmen, wenn nur ein 
heitlich durchgeführt, eine gute Modellierung der Gebilde 
erzielen können. Die Anpassungsfähigkeit des Formen 
vorstellungsvermögens an die Schattierung geht sehr weit. 
87. Zusammenstellung aller Lichtstufen. 
Die Kugel mit Licht- und Schlagschattenpartien bietet 
alle überhaupt vorkommenden Neigungen einer Fläche 
gegen den Lichtstrahl und damit alle vorkommenden 
Stufen von Licht und Dunkel. Man benützt sie deshalb 
als „Lichtmassstab“, als Hilfsmittel zum Ausdruck für 
bestimmte Lichtstufen, indem man den Durchmesser par 
allel zum Lichtstrahl in 8 oder 12 gleiche Teile teilt; die 
Parallelkreise, die diesen Punkten entsprechen, bilden mit 
dem schattenabgrenzenden Grosskreis und den drei Einzel 
punkten h, r und s die Stufen der Flächenbeleuchtung. 
Bei Teilung in 8 Teile erscheinen 13 Lichtstufen. Doch 
ist es zweckmässig, bei dieser Teilung nicht stehen zu 
bleiben, sondern den äussersten Teil vom hellsten Punkt, 
beziehungsweise Reflexpunkt her noch einmal im Verhält 
nis 3 : 7 einzuteilen und damit zwei weitere Lichtstufen 
linien einzuführen. Die Zahl der Lichtstufen kommt hiedurch 
auf 16, die mit Unterscheidung durch verschiedene Vorzei 
chen für Licht und Schlagschatten einerseits und Körper 
schatten andererseits in folgender Weise bezeichnet werden. 
4- o im Licht (hellster Punkt) 
+ 0,3 „ „ 
+ 1 >> „ 
+ 2 „ „ 
+ 3 » » 
+ o im Schlagschatten (dunkelster Punkt) 
+ 0,3 „ 
+ 1 >» 11 
4- 2 „ „ 
+ 3 » „ 
4 4 (Körperschattengrenze) 
— 3 im Reflex- oder Körperschatten 
2 „ 
1 j» >» >> 
o>3 ,1 j) >» 
— o (hellster Punkt im Körperschatten oder Reflexpunkt). 
Würde man bei der Achtteilung stehen bleiben, so 
würde die Fläche mit vollem Licht erfahrungsgemäss viel 
zu gross, der Uebergang von 4- o zu 4- 1 zu hart und die 
Gesetzmässigkeit der Krümmung der Fläche nahe dem 
hellsten Punkt durch eine grosse ebene Platte empfindlich 
gestört erscheinen. Bisher wurde, um diesem Uebelstand 
abzuhelfen, zuweilen ein Parallelkreis 4- V2 eingeführt; 
doch bleibt auch hiebei (ursprüngliche Achtteilung des 
Durchmessers vorausgesetzt) die Fläche hellsten Lichtes 
noch zu gross; insbesondere aber hat diese Halbierung 
des äussersten Teils den Mangel, dass der Abstand von 
4- 1 bis 4- V2. als zu klein und derjenige von 4- 2 bis 4 o 
als zu gross die Aufeinanderfolge der Abstände der Licht 
stufenlinien unstetig und willkürlich erscheinen lassen, 
wogegen bei der hier gewählten Einführung von 4- 0,3 
die Fläche hellsten Lichtes auf ein günstiges Mass ge 
bracht und die Aufeinanderfolge der Kreise auf der Kugel 
in deren Darstellung für die eingebürgerte Lichtrichtung 
gesetzmässig und gefällig wird, wie Figur 88b beweisen 
kann. Diese schönere Lage der Lichtstufenlinien kommt 
nicht nur der Kugel selber zu gut, sondern auch der Dar 
stellung aller andern Körper mit gekrümmter Oberfläche, 
für deren Schattierung die „Normalkugel“ in später zu 
erklärender Weise verwertet wird. 
Wenn je eine Kugel oder ein nach ihr zu schattieren 
der anderer Körper in so grossem Massstab gezeichnet 
ist, dass die Streifen zwischen den Lichtstufenlinien mit 
! der Achtteilung zu breit und die Uebergänge zu hart wür 
den, so ist es nicht schwer, durch Schätzung oder genaue 
Konstruktion noch Zwischenlinien von 4 0,6 (nicht 0,65), 
4- 1,5 4- 2,5 4- 3,5 — 3,5 u. s. f. einzuschalten. Vgl. z. B. 
Figur 103b. 
Bei einer Einteilung des Durchmessers in zwölf 
Teile anstatt in acht würden anstatt der 13 Lichtstufen 
der unergänzten Achtteilung deren 19, und anstatt der 
16 Lichtstufen der durch 4- 0,3 ergänzten Achtteilung 
deren 22 erscheinen; bei Einteilung in zwanzig Teile 
sogar 31. Für die praktische Verwertung des Verfahrens, 
das im folgenden zu erklären ist, dürfte es sich empfehlen, 
die Zahl der durch graphische Konstruktion zu bestimmen 
den Linien möglichst einzuschränken; auch schon bei 
wenigen solchen ist die Arbeit noch immer gross genüge 
und bei Bedarf an weiteren im eben berührten Fall reicht 
deren Einschaltung nach Schätzung auch strengen An 
forderungen gegenüber meist vollkommen aus. 
Darstellung der Normalkugel mit der eingebür-8S. 
gerten Lichtrichtung. 
Die erste Darstellung der Normalkugel (Figur 82), 
ein Grundriss derselben in einem Grundebenensystem, in ' 
welchem der Lichtstrahl als eine horizontale Linie gedacht 
ist, hat sich so einfach gestaltet, weil die Kugel projiziert 
wurde auf eine zum Lichtstrahl parallele Ebene. Anders 
gestaltet sich das Bild der Kugel im ursprünglichen 
Grundebenensystem, in welchem die beiden Lichtstrahl 
projektionen einen Winkel von 45 0 mit dem Grundschnitt 
bilden; die Projektionen der Parallelkreise werden hier El 
lipsen sein, und zwar finden sie sich auf folgendem Weg:
	        
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