Für jeden Punkt x einer gekrümmten Fläche ergeben
sich unmittelbar aus dem Erzeugungsgesetz zwei in der
Oberfläche liegende, im allgemeinen gewundene Linien,
die durch den Punkt x gehen und in beiden Projektionen
gezeichnet werden können. Eine dieser Linien ist eine
Lage der erzeugenden Linie oder findet sich aus einer
Lage der erzeugenden Fläche, die andere bestimmt sich
aus deren Bewegung. Zieht man in dem betrachteten
Punkt x die beiden Tangenten, so bestimmt deren Ebene
den für x gültigen Lichtstufenpunkt auf der Normalkugel.
Auf jeder beliebig gekrümmten Fläche lässt sich somit
für jeden Punkt die Lichtstufe angeben. Damit ist aber
das Problem der Beleuchtungskunde für die Fläche nicht
gelöst, indem die gefundenen Lichtstufen beliebig aus
gewählter Flächenpunkte im allgemeinen keine ganz
zahligen sind, also das Zusammenfassen in Lichtstufen
linien nicht gestatten oder nur eine unsichere Schätzung
über deren Verlauf ermöglichen. An die beiden unmittel
bar gegebenen Flächenlinien eines Punktes ist keine all
gemeingültige Lösung anzuknüpfen; eine solche erfordert
ebene Kurven mit leicht festzuhaltender Lage ihrer Ebenen.
Ein erstes allgemeines Verfahren lässt sich als das
jenige ,,der geometrischen Orte auf der Normal
kugel“ bezeichnen. Man zeichnet auf der gegebenen
Fläche die Schnittlinie mit einer horizontalen Ebene,
bestimmt für eine Anzahl von Punkten dieser Linie die
Lichtstufenpunkte auf der Normalkugel in deren Grundriss
und verbindet diese Kugelpunkte durch eine stetige Kurve.
Diese ist der geometrische Ort, auf welchem auch alle
andern Lichtstufenpunkte jener Schnittlinie zu suchen
sind. Die Kugelkurve schneidet die Lichtstufenkreise der
Kugel in bestimmten Punkten. Wenn man nun durch den
Schnittpunkt der Kurve mit der Linie 4- 3 den horizon
talen Parallelkreis der Kugel legt und an diesen im Punkt
+ 3 eine Tangente zieht, ferner an jene horizontale Schnitt
kurve auf der Fläche eine parallele Tangente zieht, so ist
der Berührungspunkt dieser letzten ein Lichtstufenpunkt
+ 3 auf der Fläche. (Anstatt der Tangente am Normal
kugelkreis wird man nur den zugehörigen Radius ziehen
und die Tangente der Flächenkurve senkrecht zu diesem
Radius stellen, wie in Art. 99, 100 und 102, wo ebenfalls
immer die Vorstellung paralleler Tangenten zu Grunde lag.)
Weitere Tangenten in weiteren ganzzahligen Punkten
der Kugelkurve geben weitere ganzzahlige Lichtstufen
punkte auf der Horizontalkurve der Fläche, und weitere
Horizontalschnitte der Fläche liefern weitere geometrische
Orte auf der Kugel und damit weitere Gruppen von Licht
stufenpunkten auf der Fläche.
Dieses Verfahren ist schon im früheren bei der
schiefen Kegelfläche in Art. I02 zur Anwendung gebracht
worden. Dort war jedoch eine der beiden Flächenlinien
eine Gerade und dadurch die Bestimmung der Lichtstufen
punkte vereinfacht. Im allgemeinen Fall ist es nötig, ausser
den horizontalen Schnittebenen auch noch vertikale belie
biger Richtung einzuführen, die sich im Grundriss als
gerade Linien projizieren und deren Schnittkurven am
bestenjgetrennt herausgetragen werden. Wenn eine solche
vertikale Schnittkurve eine horizontale in einem Punkt x
schneidet, so zieht man Tangenten an beide Schnittkurven
im Punkt x. Die Richtung der horizontalen bestimmt einen
Grosskreis auf der Kugel, der sich im Grundriss als
Radius senkrecht zu dieser Tangente projiziert (die „geo
graphische Länge“ des Lichtstufenpunktes); die geneigte
Tangente, rechtwinklig projiziert auf eine Ebene, die senk
recht zur Horizontaltangente steht, erscheint in dieser
Projektion als Gefällslinie der Berührungsebene und be
stimmt in bekannter Weise einen horizontalen Parallelkreis
(als „geographische Breite“) im Grundriss der Normal
kugel, dessen Schnitt mit jenem Radius den Lichtstufen
punkt für den Flächenpunkt jv darstellt. Dieses Verfahren,
für jeden Schnittpunkt x einer Horizontalkurve durch
geführt, liefert die Reihe der Lichtstufenpunkte und damit
den geometrischen Ort für die Horizontalkurve.
Als vertikale Schnittebenen wird man in erster Linie
solche zu benützen suchen, welche der Lichtrichtung par
allel stehen. Die mit ihnen erhaltenen Schnittkurven können
nicht nur gleichzeitig zur Bestimmung von Schlagschatten
grenzen dienen, sondern auch eine Probe für die Kurve
+ 4 liefern; die Berührungspunkte dieser Kurven mit den
Lichtstrahlen müssen ja Punkte der Kurve + 4 sein.
In andern Fällen werden Vertikalschnitte senkrecht
zum Grundschnitt, die auch im Aufriss geradlinig er
scheinen, die meist geeigneten sein, in wieder anderen
Vertikalschnitte verschiedener Grundrissrichtungen, welche
sich etwa den verschiedenen Lagen einer Erzeugenden
anpassen.
Bei bestimmten Lagen der Flächen treten an die
Stelle der in der voranstehenden Lösung als erste Kurven
gruppe verlangten Horizontalschnitte solche parallel zur
Vertikalebene, und an die Stelle der vertikalen Schnitte
solche senkrecht zur Vertikalebene, entweder mit Richtung
parallel zum Lichtstrahl oder senkrecht zum Grundschnitt
oder irgend einer andern gleichbleibenden oder veränder
lichen Aufrissrichtung. Die geometrischen Orte auf der
Normalkugel sind dann für die zur Vertikalebene par
allelen Schnittkurven aufzusuchen und werden im Auf
riss der Normalkugel, anstatt im Grundriss gezeichnet.
So können z. B. bei Regelflächen mit horizontalen Er
zeugenden keine Tangenten an Horizontalschnittkurven
gezogen werden, weil diese letzten zu geraden Linien
geworden sind; hier müssen also notwendig andere Par
allelschnitte, welche Kurven liefern, eingeführt werden.
In wieder anderen Fällen ist die erste Schnittebenen
gruppe, für deren Kurven die geometrischen Orte auf der
Kugel zu suchen sind, parallel zur Seitenebene zu
wählen, wie es für das Kugelkonoid in Art. 110 geschehen
ist. Die horizontalen Schnitte waren aus dem eben an
gegebenen Grund ausgeschlossen; Schnitte parallel zur
Vertikalebene wären wegen ihrer viel zu schiefen Winkel
mit den Erzeugenden auch nicht zweckmässig gewesen.
Eine letzte Stellung, die für die erste Parallelschnitt
ebenengruppe zweckmässig sein kann, ist diejenige mit
schiefem Winkel gegen zwei Grundebenen bei Richtung
normal zur dritten; sie kann sich empfehlen, wenn sie
dem Entstehungsgesetz und der Lage der Fläche in be
sonders hohem Mass entspricht und die Ableitung der
andern Schnittkurven schwierig wäre. Doch wird hiebei
für die Erleichterung in der einen Seite der Lösung weit