Einleitung.
I. Aufgabe und Wesen der Schattierung.
1. Zweck der Schattierung in den Darstellungen
technischer Gebilde.
Schattenkonstruktionslehre und Beleuchtungskunde
sind Hilfswissenschaften zur Darstellung der technischen
Gebilde. Viele Formen der Architektur, der Kunstgewerbe
und des Ingenieurbauwesens können nur durch Aufnahme
von Licht und Schatten in ihre Darstellung so anschau
lich abgebildet werden, dass man aus dem Bilde ihre
ästhetische Wirkung im ausgeführten Zustand genügend
beurteilen kann; ebenso können viele Gebilde des Bau-
und Maschineningenieurwesens nur mit Licht und Schatten
so deutlich dargestellt werden, dass man den Zusammen
hang ihrer Teile mühelos übersieht und nach der Zeich
nung sicher genug arbeiten kann.
2. Licht flächen und Schattenflächen. Körper
schatten und Sclilagschatten.
Als Einführung in den Gegenstand ist eine elementare
Betrachtung über das Wesen der Körperschattierung an
zustellen, und zwar derjenigen, die bei Sonnenschein oder
anderem Herrschen nur einer einzigen starken Lichtquelle
auftritt. Denn eine solche Beleuchtung wird beim Schat
tieren der technischen Gebilde immer vorausgesetzt; die
jenige durch verschiedene gleichzeitig wirkende Licht
quellen oder durch gedämpftes, von allen Seiten nahezu
gleichmässig wirkendes Licht Endet sich nur in der künst
lerischen Malerei und würde für technische Gebilde schwer
herzustellende und dazu meist minder anschauliche Bilder
ergeben.
Es sei im Sonnenschein etwa eine Pyramide aus Gips
oder weissem Marmor oder einem andern weissen, nicht
glänzenden Material aufgestellt oder aufgehängt vor einer
vertikalen Tafel aus demselben Material, so kommt die
Schattierung zunächst zu stände dadurch, dass einige der
Körperflächen von den Sonnenstrahlen getroffen wer
den, andere nicht. Diese letzteren sind die Schatten
flächen der Pyramide, und zwar sind sie im Schatten oder
dunkel, weil sie vom Licht ab gewendet sind. Dieses
müsste die Pyramide selber durchdringen, um zu diesen
Göller, Schattenkonstruktionslehre und Beleuchtungskunde.
Flächen zu gelangen und würde sie dann doch nur auf
der Rückseite treffen. Es giebt noch eine andere Art von
Schatten. Die Pyramide wirft einen Schatten auf die
weisse Tafel. Die Fläche dieses Schattens ist im Gegen
satz zu den dunklen Pyramidenflächen dem Lichte zu
gewendet, und ist nur deshalb dunkel, weil die Pyramide,
also ein anderer Körper, dem Licht im Wege steht. Jene
Art von Schatten, welche durch Abwendung ihrer Flächen
vom Licht entstehen, wie diejenigen auf den Pyramiden
flächen, heissen „Körperschatten“ oder „Selbst
schatten“ oder „Eigenschatten“; die andern, die
jenigen, welche ein Körper auf einen andern wirft, deren
Flächen also dem Lichte zugewendet, aber ihm zugleich
verdeckt sind, werden „Schlagschatten“ genannt.
Ein Schlagschatten kann nicht nur von einem Körper
auf einen andern geworfen sein, sondern auch von einem
Teil eines Körpers auf einen anderen Teil desselben
Körpers. Nimmt man anstatt der Pyramide einen Körper
mit einspringenden Kantenwinkeln (z. B. ein einfaches
Steinkreuz), so Endet sich, dass ein vortretender Teil (ein
Ouerarm) einen Schatten auf eine zurücktretende Fläche
(den vertikalen Schaft) wirft. Man spricht in diesem Fall
von „Selbstbeschattung“ des Körpers. „Selbstbe
schattung“ und „Selbstschatten“ sind nicht zu verwechseln.
Körper- oder Selbstschattengrenzen und Schlag-
schatten grenzen.
Zwischen den beleuchteten Flächen und den Körper
schattenflächen (der Pyramide oder des Kreuzes u. s. w.)
bildet sich eine Grenzlinie, aus bestimmten Kanten des
Körpers zusammengesetzt; es ist die Kör pers chatte n-
grenze oder Selbstschattengrenze. Ebenso hat die
Schlagschattenfläche eine bestimmte Umrisslinie, welche
ihre Grenze teils gegen die Lichtflächen, teils gegen die
Körperschattenflächen bildet; dieser Umriss der Schlag
schattenfläche heisst die Schlagschattengrenze.
Wenn anstatt der Pyramide ein runder Körper, etwa
eine Kugel oder ein Cylinder, vor der Marmortafel hängend
gewählt worden wäre, so hätte sich Ähnliches ergeben.
Die Lichtstrahlen treffen die eine Hälfte der Kugel, die
andere nicht, also ist diese dunkel. Zwischen beiden muss
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