Kapitel XII. Artikel 113.
linie einer Cylinderfläehe eine solehe Seheidelinie für alle
diejenigen Lichtstufenlinien wird, deren Punkte nicht auf
ihr vertreten sind. Diese Linien können sie nicht be
rühren oder durchschneiden. Wenn auch auf einer solchen
Kurve gar kein Lichtstufenpunkt gefunden wird, so ist sie
doch nicht fruchtlos ausgewählt und behandelt, sondern
als eine solche Scheidelinie für den Verlauf der gesuchten
Linien verwertbar.
d) Auf vielen Flächen finden sich Lichtstufenlinien
mit Kreuzungspunkten zwischen vier Gruppen um
kehrender Kurven; doch ist es ein seltener Zufall, wenn
eine ganzzahlige Lichtstufenlinie sich selber schneidet.
Schon beim ringförmig steigenden Gewölbe in Figur 106 b
und bei der schraubenförmigen Wulstfläche oder Röhre
in Figur 107 b sind solche Kreuzungen festgestellt und
erörtert worden; während dort die Kurven unganzzahlige
waren, ist bei der Volutenkonsole in Figur 112c zufällig
die Kurve + 3 eine Kreuzungskurve geworden. Wie sie
als Kurve etwa + 3,5 bei dem exzentrischen Wulst zu
vermuten sein dürfte, ist in Figur mb punktiert einge
zeichnet. Die scharfe Bestimmung ihrer Lage und Be
nennungszahl wäre aber bei diesem Beispiel minder ein
fach als bei den früheren und wohl nur durch Versuche
möglich. Die gewundene Säule, Figur 109a, hat eine
Kreuzungskurve zwischen + 2 und + 3.
e) Die zweite allgemeine Lösung in Art. 112 kann
durch die Verwertung einer etwa vorhandenen Symmetrie
der Fläche ebensowohl Arbeit ersparen wie die erste
durch Benützung der Symmetrie der Kurven der geome
trischen Orte auf der Kugel. Zu jeder Richtung der
Tangenten bei beiden Beispielen in Art. 112 giebt es
eine symmetrische, welche beim exzentrischen Wulst eine
kongruente Normalschnittlinie bei veränderter Richtung
der Normalschnittebene und bei der Volutenkonsole eine
symmetrische Spurlinie der Cylinderfläehe ergiebt.
f) Bei beiden allgemeinen Verfahren sind oft Tan
genten in gegebenen Punkten an Kurven mit unbekanntem
Gesetz zu ziehen und Berührungspunkte von Tangenten
gegebener Richtung an solchen Kurven zu bestimmen.
Dies muss meist nach Schätzung geschehen, wodurch eine
kleinere oder grössere Unsicherheit über das Resultat der
Konstruktion des Einzelpunktes unvermeidlich herein
kommt. (Um so wichtiger sind die oben unter b) ge
nannten sicheren Punkte der Hauptlinien.) Man darf sich
rigieren sich die zu einer Kurve gehörigen Punkte gegen
seitig, wenn genügend viele bestimmt werden, und
gestatten, den Verlauf der Linie genügend richtig festzu
setzen.
g) Häufig werden die ausgewählten Schnittkurven
oder Berührungslinien der Cylinderflächen punktleere
Räume zwischen sich übrig lassen, welche an wichtigen
Stellen Unsicherheit über den Verlauf der Lichtstufen-
linien mit sich bringen. In diesen Fällen, ebenso wo die
gefundenen ganzzahligen Punkte stärkere \\ idersprüche
aufweisen, wird man zu Versuchen greifen und sich für
einen auf einer Kurve zu vermutenden Punkt die Frage
Frage ist mit Hilfe einer eingeschätzten Tangente an der
Horizontalkurve und eines Trajektorienbruchstücks zu
beantworten. Man' erfährt hiedurch, ob der Punkt wirklich
auf der Kurve liegt oder ob sie mehr oder weniger weit
rechts oder links an ihm Vorbeigehen muss. Besonders
für tiefste und höchste Punkte, äusserste Punkte nach
irgend einer Richtung, Wendepunkte und vermutete Ein
oder Ausbiegungen werden solche Stichproben oft zweck
mässig sein.
h) Ist ein Gebilde durch Höhenkurven gegeben, so
ist das zweite allgemeine Verfahren unmittelbar darauf
verwendbar. Dies trifft für die Darstellung der Boden-
gestaltung durch Höhenkurven in topographischen Karten
u. s. w. zu. Zu einem Versuch der Verwertung der be
schriebenen, wenigstens verhältnismässig einfachen
Lichtstufenbestimmung für die Schattierung von Relief
karten in grösserem Massstab mag hiemit die Anregung
gegeben sein. Die Vertikalbeleuchtung giebt leider keine
Anschauung der Bodengestaltung; eine solche ist nur mit
schräger Beleuchtung erhältlich, wie sie in der Dufour-
karte und im topographischen Atlas der Schweiz gewählt
ist. In so kleinem Massstab (1 : 100 coo beziehungsweise
1 : 50000) Hessen sich freilich die Abstufungen noch nicht
wohl durchführen; auch wären hier die Schlagschatten,
welche bei der eingebürgerten Lichtrichtung in Gebirgs-
darstellungen auftreten würden, der Deutlichkeit noch
nicht förderlich. Wohl aber wäre dies bei grösserem
Massstab, von etwa 1 : 25000 an, der Fall; es würde wohl
damit insbesondere das anschauliche Hervortreten hoher
Spitzen gewonnen werden, das bisher auch der Darstel
lung mit einseitiger Beleuchtung unerreichbar war.
Bei Darstellungen aus dem Hügelland und der wenig
gegliederten Ebene würde eine flachere Lichtrichtung,
etwa 36 °, beziehungsweise 30 oder 25 0 zu wählen sein,
doch nur soweit, dass Schlagschatten nur ausnahmsweise
und in kleinen Flächen auftreten würden.
Der Arbeitsaufwand, den die Bestimmung der Licht
stufenlinien auf beliebig gekrümmten Flächen nach den
beiden beschriebenen Verfahren erfordert, ist ein sehr
grosser und zwar auch dann, wenn die Ableitung der
Horizontalkurven oder anderen Parallelschnittkurven aus
dem Gesetz der gegebenen Fläche sich einfach gestaltet.
Ausserdem ist einzuräumen, dass die Technik nur selten
sie noch viel seltener solche anderen Flächen eingehend
schattiert, so dass eine auch nur einigermassen ausge
dehnte praktische Verwertung der beiden allgemeinen
Verfahren, abgesehen etwa von der angedeuteten topo
graphischen Schattierung und der anschaulichen Darstel
lung mathematischer Flächen für Unterrichtszwecke, kaum
je zu erwarten sein wird. Andererseits aber ist vom
Standpunkt der Theorie aus festzustellen, dass die Lö
sungen bei allen denkbaren Flächen durchgeführt werden
können und damit das Problem der Beleuchtungskunde
in seinem ganzen Umfang gelöst ist.