Full text: Lehrbuch der Schattenkonstruktion und Beleuchtungskunde

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Kapitel I. Artikel 4, 5, 6. 
wieder eine Grenze bestehen. Diese erscheint allerdings 
bei solchen runden Körpern dem Auge sehr verschwom 
men , indem der Übergang von Licht zu Schatten durch 
zahllose feine Zwischenstufen vor sich geht, ist aber mathe 
matisch betrachtet doch eine scharfe Linie. Sie bildet 
sich — wie leicht einzusehen — da, wo die Lichtstrahlen 
berührend an der Kugeloberfläche vorbeistreifen; die 
Berührungspunkte sind eben die Punkte der Körperschatten 
grenze, und dieselben streifenden Lichtstrahlen zeichnen 
auf der Marmortafel die Grenzlinie des Schlagschattens, 
den die Kugel auf die Tafel wirft. 
4. Abstufungen der Licht- und Schattenstärken. 
Betrachtet man die Licht- und Schattenflächen genauer, 
so findet sich, dass sowohl im Licht als im Schatten Ab 
stufungen der Lic h tstärke bestehen. Sie rühren im 
Licht daher, dass die Lichtstrahlen bald senkrecht oder 
nahezu senkrecht, bald unter schiefem und sehr schiefem 
Winkel die Fläche treffen. Wo die Lichtstrahlen senk 
recht auf eine Fläche treffen, da ist diese am hellsten; je 
kleiner der Winkel, unter dem sie der Fläche begegnen, 
desto dunkler erscheint die Fläche an der getroffenen 
Stelle. Ähnliches besteht auf den Flächen mit Körper 
schatten und Schlagschatten. Auf diese wirken 
die Strahlen des Widerscheins oder Reflexlichtes, 
das heisst des von den Lichtflächen anderer Körper zu 
rückgeworfenen Lichtes, von dem später eingehender zu 
sprechen sein wird. Diese Strahlen treffen die Schatten 
flächen ebenfalls mit verschiedenen Neigungswinkeln, und 
so erscheinen auch diese Flächen mit verschiedenen Gra 
den der Dunkelheit. Die vorausgesetzte Marmortafel wirft 
z. B. von den beleuchteten Flächen neben dem Schlag 
schatten noch sehr starke Reflexlichtstrahlen auf die Pyra 
mide oder Kugel und erzeugt auf den Schattenflächen dieser 
Körper die erwähnte Abstufung. Die Schlagschattenfläche 
selber erhält aber keine Reflexlichtstrahlen, wenigstens 
nicht von naheliegenden Körpern. Daraus ergiebt sich, 
dass der Schlagschatten immer dunkler ist, als 
jede Stufe des Körperschattens, eine Thatsache, 
welche an jedem einfarbigen der Sonne ausgesetzten Körper 
zur Anschauung gelangt und nur da eine Ausnahme er 
leiden kann, wo die gemachte Voraussetzung einer ein 
zigen herrschenden Lichtquelle nicht erfüllt ist. 
5. Zwei Vollendungsgrade der Schattierung. 
Soviel als erster Einblick in das Wesen der Schat 
tierung. Diese ist aber in der Darstellung technischer 
Gebilde nicht immer genau so wie sie in der Natur sich 
findet oder in der Photographie sich finden würde, son 
dern sie erscheint je nach dem Massstab in zwei ver 
schiedenen Vollendungsgraden. Bei der minder 
vollkommenen Schattierung ist auf dem Bilde des dar 
gestellten Körpers nur Licht, Körperschatten und Schlag 
schatten unterschieden, so dass die beleuchtete Fläche überall 
gleich hell, die Körperschattenfläche überall gleich dunkel, 
die Schlagschattenfläche zwar dunkler als die Körper 
schatten, aber in sich ebenfalls überall gleich dunkel ist. 
Dieser minder vollkommenen Darstellung der wirklich 
bestehenden Beleuchtungsgrade steht gegenüber diejenige, 
welche auch die feineren Abstufungen der beleuch 
teten und nicht beleuchteten Flächen darbietet, also hell 
stes Licht, minder helles Licht in allen Stufen oder wenig 
stens in einer bestimmten Zahl von Stufen, Körperschatten 
vom hellsten Reflexlicht bis zum dunkelsten, dem sogenann 
ten Streiflicht, und ebenso, als dunkelste Flächenreihe über 
haupt, die Schlagschatten bis hinab zur tiefsten Stufe. 
Jeder der beiden Vollendungsgrade der Schattierung 
hat sein Gebiet. Bei Darstellungen in kleinerem Massstab, 
z. B. bei einer Gebäudefront, einer inneren Wandgliede 
rung, einer Brücke, die im Massstab 1 : 100 oder 1 : 50 
zu zeichnen ist, oder bei einem Möbelstück, einem Deko 
rationsstück bis etwa zum Massstab 1 : 25 genügt es voll 
kommen, die drei Beleuchtungsgrade Licht, Selbstschatten 
und Schlagschatten nur zu unterscheiden, ohne sie 
abzustufen; ja es ist hier erfahrungsgemäss das Ab 
stufen innerhalb der Lichtflächen und der beiden Arten 
von Schatten der Schönheit und Deutlichkeit des Bildes 
geradezu schädlich, indem es den Eindruck des Gekünstel 
ten hervorruft. Ist dagegen ein Säulenkapitäl oder -fuss, 
ein Krönungsgesims, ein Stück Brüstung, ein Zierstück 
irgend welcher Art als Einzelheit des Bauwerks, oder ein 
kunstgewerblicher Gegenstand, oder ein kompliziert ge 
stalteter Maschinenbestandteil etwa in einem Zehntel oder 
Fünftel der Wirklichkeit oder in natürlicher Grösse dar 
zustellen, so bedarf es der feineren Abstufung von Licht 
und Schatten, wenn das Bild der Raumgestalt nahekommen 
und über den Zusammenhang der Formen oder die ästhe 
tische Wirkung des Dargestellten Aufschluss geben soll. 
Schattenkonstruktionslehre und Beleuchtungs- C. 
künde. Beide sind Anwendungen der dar 
stellenden Geometrie. 
Die erste, minder weit gehende Aufgabe des Schattie- 
rens der technischen Gebilde, bei welcher die graphische 
Konstruktion nur die Grenzen von Licht und Schat 
ten, von Selbstschatten und Schlagschatten zu 
bestimmen hat, bildet den Gegenstand der Schatten 
konstruktionslehre, wogegen man unter Beleuch 
tungskunde diejenige Wissenschaft versteht, welche 
nach Bestimmung der Licht- und Schattengrenzen, inner 
halb der dem Lichte und den beiden Arten von Schatten 
zugewiesenen Flächen, die feineren Abstufungen der 
Beleuchtung und der Schattenstärke bestimmen hilft. 
Die Beleuchtungskunde ist als tiefere Auffassung des 
Beleuchtungsproblems wissenschaftlich interessanter und 
als Durchführung eines einzigen, ebenso geistreichen als 
einfachen Grundgedankens einheitlicher, auch in den von 
ihr geschaffenen Bildern ansprechender, schöner als die 
Schattenkonstruktionslehre. Diese aber ist weit wichtiger 
für das praktische Schaffen; sie erklärt in erster Linie und 
auf dem nächsten Weg die Körperformen; sie findet in 
allen Zweigen der Darstellung technischer Gebilde um 
fassende und vielseitige Verwertung, und ihr Studium ist 
eine notwendige Ergänzung zu demjenigen aller Projektions 
lehre und Darstellungskunde überhaupt. Schattengrenzen 
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