Full text: Lehrbuch der Schattenkonstruktion und Beleuchtungskunde

140 
Kapitel XIII. Artikel 118. 
gewundenen Säulenschaft war die Reihenfolge der Strich 
stärken etwa diese (die Zahlen sind Zehntelsmillimeter): 
Kappenfläche + o . . . weisses Papier 
Streifen + 0,7 ... o (Einstellen der Teilscheibe aufo giebt einen feinen Strich) 
„ + 1,5 ... i 
„ + 2,5 . . . 2»/ 2 
» + 5>5 • • • 3V2 
„ — 3>5 • ■ • 4 1 /* 
„ —2,5... 4 
,> — i,5 - • - 3V2 
„ — 0,7 ... 3 
» + 3,5 s. . 5 */2- 
In Figur H2d erscheint in den Schlagschattentönen 
und im Streifen — 3,5 neben der stärkeren Horizontal 
strichlage eine unter 45 0 geneigte feinere. Hier wäre, da 
die Schlagschattentöne fast vollzählig auftreten und sich 
bis 1,5 s erstrecken, die Abstufung mit einer Strichlage 
gar nicht oder nur mit weit grösserer Strichweite durch 
zuführen gewesen, da es fast unmöglich ist, mit einer ein 
zigen Lage sehr breiter Striche, die nur sehr schmale 
Streifen weissen Papiers zwischen sich übrig lassen, einen 
gleichmässigen Ton zu erhalten, indem die unvermeid 
lichen Verschiebungen einzelner Striche um Zehntels- oder 
Zwanzigstelsmillimeter schon empfindlich stören. Richtiger 
wäre es, bei Kreuzstrichlagen auch die Reflexione —2,5 
— 1,5 —- 0,7 mit solchen zu behandeln und dafür die ersten 
Strichlagen dieser Töne entsprechend heller zu halten, wo 
nach alle Lichttöne mit einer, alle Schattentöne mit zwei 
Strichlagen auftreten würden. 
118. Schattierung mit Maltönen. 
Eine mit den oben genannten Instrumenten streng 
richtig hergestellte Reihe von Strichlagen könnte mit Mal 
tönen derselben Farbe treu nachgebildet werden, indem 
jeder solche, in grösserer Entfernung vom i\uge neben 
der nachzubildenden Strichlage aufgestellt, genau den 
selben Eindruck machen müsste wie diese. So wäre es 
also auch für Maltöne nicht unmöglich, jene Zahlen 
reihen in Beziehung auf das Wesentliche, auf ihre Eigen 
schaft al$ arithmetischer Reihen, wiederzugeben und da 
mit eine auf Ueberlegung gegründete, durch Rechnung 
abgeleitete, nicht nur gefühlsmässig gefundene Reihe von 
Maltönen aufzustellen, welche in beliebig vielen Einzel 
fällen als Vorbild für die Lichtstufen dienen könnte. 
Näher scheint es zu liegen, die arithmetische Reihe 
der Maltöne durch wiederholtes Aufträgen eines und des 
selben Tons zu erzielen. Aber dieser nächste Weg führt 
höchstens bei wenigen leichten Tönen und auch dann nur 
annähernd richtig. Es wird keine arithmetische Reihe der 
Lichtstärken erhalten, wenn man einen ersten Streifen mit 
einem bestimmten Malton einmal, einen zweiten zwei 
mal, einen dritten dreimal u. s. w. überlegt; vielmehr 
wird die Abnahme der Lichtstärke mit jedem weiteren Ton 
arithmetisch kleiner, also die Töne um so weniger wirksam, 
je mehr derselben schon vorher aufgetragen wurden. Da 
bei ist die Verschiedenheit der Wirkungen früher und 
später aufgetragener Töne so gross, dass sie unmöglich 
übergangen werden kann; ein Ton bestimmter Stärke als 
zehnte Schichte aufgetragen vermindert z. B. die ursprüng- 
liche Lichtstärke etwa dreimal weniger, als wenn er die 
erste Schichte bildet. Diese Thatsache beruht nicht etwa 
nur auf einem Gefühlsurteil, das eine wirklich vorhandene 
arithmetische Reihe nicht als solche erkennen würde, son 
dern sie wird durch die Probe mit den Entfernungen von 
einer künstlichen Lichtquelle bestätigt; es handelt sich 
also um ein physikalisches Gesetz, nicht um ein solches 
der menschlichen Lichtempfindung. Ohne dieses Gesetz 
müssten z. B. acht Maltöne, von denen der erste (bei einer 
bestimmten Beleuchtungsintensität) die Lichtstärke des 
weissen Papiers nur um ein Achtel vermindert, schon die 
Lichtstärke Null, und zehn solcher Töne sogar eine 
Lichtstärke unter Null erzielen können, während doch 
undenkbar ist, dass eine gut beleuchtete, selbst mit hundert 
schweren Tönen bemalte Fläche gar kein Licht mehr un 
regelmässig zurückwerfe. 
Die Wirkung dieses Gesetzes scheint dadurch verstärkt 
zu werden, dass das Papier dem ersten Farbton mehrFarbteil- 
chen entnehmen und festhalten kann als dem zweiten, diesem 
mehr als dem dritten u. s. w., indem seine Ansaugungsfähig 
keit durch die aufgetragenen Farbschichten vermindert wird. 
Diese Eigenschaft ist schon vorher bei verschiedenen 
Papieren stark verschieden; glatte, gutgeleimte Papiere 
saugen die Farbflüssigkeit weniger kräftig an und lassen 
einen aus derselben Schale gezogenen Farbton heller er 
scheinen als rauhe, feuchte Papierflächen oft weit heller 
als stark ausgetrocknete. Es scheint sogar, dass später 
aufgetragene Farbtöne früheren dunklen wieder Farb- 
teilchen wegnehmen können; ein sehr dunkler Ton, noch 
wenig eingetrocknet, kann durch einen nachfolgenden sehr 
flüssigen hellen Ton wieder heller werden. Da ferner auch 
ein erster Farbton, flüssig und voll aufgetragen, nach dem 
Auftrocknen eine erheblich dunklere Lichtstufe darstellt 
als bei zurückhaltendem trockenem Malen, so ist nicht zu 
erwarten, dass die Wirkung eines früher oder später auf 
getragenen Farbtons jemals streng durch Zahlen aus 
gedrückt werden kann. 
C. F. A. Leroy („Die Stereotomie“, übersetzt von 
E. F. Kauffmann, 1847, § 230) giebt an, „dass die ver 
schiedenen Lichtgrade, welche den Werten von c = <J /io 
8 /io 7 /u> • . • entsprechen, nicht genau erhalten werden durch 
ein wiederholtes Aufträgen von 123... unter sich identi 
scher Tuschlagen auf eine und dieselbe Zone; das Ge 
setz, durch welches das Verhältnis zwischen den Werten 
von c und der Zahl n der Tuschlagen bestimmt wird, ist 
vielmehr dasjenige, welches zwischen den Zahlen und 
ihren Logarithmen für eine nur wenig unter der Einheit 
genommene Grundzahl besteht“. In Beziehung auf die 
Begründung dieses Gesetzes verweist Leroy auf eine nicht 
mehr zugängliche andere Schrift.*) 
Nach den mit einer künstlichen Lichtquelle angestellten 
Versuchen von C. Riess (Schattierungskunde 1871, § 18) 
„ist das Verhältnis zwischen den Werten der Helligkeiten 
c und der Zahl der Tuschlagen n, durch welche jene 
*) Dies erinnert an das Weber’sche oder Fechner’sche Gesetz der 
Psychophysik, dass in allen Sinnesgebieten Empfindungen sich verhalten 
wie die Logarithmen ihrer Reize. Aber schon das oben über die Wirkung 
von acht Maltönen Gesagte lässt eine Erklärung der Thatsachen ausschliess 
lich aus Gesetzen der menschlichen Empfindung nicht zu.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.