Kapitel V. Artikel 27.
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Ebene liegt, parallel fortschreitet; jede Lage der Geraden
bildet eine Mantellinie oder Erzeugende des Cylin
ders; die gekrümmte Linie heisst die Leitlinie; in der
Folge wird aber unter Leitlinie eines Cylinders nur die
jenige gekrümmte Linie zu verstehen sein, nach welcher
die Fläche durch eine Ebene senkrecht zur Richtung der
Mantellinien geschnitten wird. Gewöhnlich erscheint in
den technischen Gebilden der gerade Kreiscylinder, das
heisst der Cylinder, dessen Leitlinie ein Kreis ist. Die
ebene Grenzfläche, welche einen Cylinder senkrecht oder
schief zur Richtung der Mantellinien begrenzt, heisst
dessen Basis. In den technischen Gebilden ist sie ge
wöhnlich senkrecht zur Richtung der Achse und der
Mantellinien, also beim Kreiscylinder kreisförmig. Jeder
Schnitt eines Kreiscylinders schief zur Achse ist eine
Ellipse. Cylinderflächen erscheinen teils konvex, teils
konkav', horizontal oder vertikal, bei tonnenförmigen
Dächern, Säulen, geraden Rundstangen, Röhren, Ge
simsen, runden Türmen, Erkern, Baikonen, Aussenmauern
und Innenräumen mit kreisförmigem Grundriss, Brücken
pfeilern, Mauerbögen, Tonnengewölben u. s. f.
Eine Kegelfläche entsteht, wenn eine gerade Linie
derart fortschreitet, dass sie einerseits immer durch den
selben Punkt geht, andererseits an einer gekrümmten
Linie gleitet, die mit dem Punkte nicht in derselben
Ebene liegt. Der Punkt heisst die Spitze des Kegels;
jede Lage der Geraden heisst eine Mantellinie. Eine
ebene Grenzfläche, welche den Kegel abschliesst, heisst
seine Basis. Gewöhnlich erscheint in den technischen
Gebilden der gerade Kreiskegel, das heisst der Ke
gel, dessen Basis kreisförmig ist und dessen Spitze sich
auf dem Lot im Mittelpunkt der Basis befindet. Das Lot
heisst die Achse des Kegels. Der Schnitt eines Kreis
kegels schief zur Achse liefert als Schnittlinie entweder
eine Ellipse, oder eine Parabel, oder eine Hyperbel.
Kegelflächen erscheinen in den technischen Gebilden teils
konvex, teils konkav, mit vertikaler oder horizontaler
Achse, bei runden Turmdächern, Umrahmungen von
mittelalterlichen Fenstern und Thtiren, bestimmten Ge-
wölbformen, z. B. den sogenannten Stichkappen, Decken
über kreisförmigen Räumen, Gesimsen auf cylindrischen
Wandflächen, Gussteilen für Eisenkonstruktionen, bei
zahlreichen kunstgewerblichen Gegenständen, bei runden
Böschungen der Bahn- und Strassendämme oder Ufer
mauern und endlich bei vielen Formen im Maschinenbau.
Eine Drehungsfläche entsteht, wenn irgend eine
gekrümmte oder gebrochene Linie um eine Gerade ge
dreht wird. Die Gerade heisst die Achse der Drehungs
fläche. Jeder Punkt der gedrehten Linie beschreibt einen
Kreis, dessen Ebene senkrecht zur Drehungsachse steht
und der ein Parallelkreis genannt wird. Legt man
durch die Achse eine Anzahl Ebenen, so schneiden diese
die Drehungsfläche nach gekrümmten oder gebrochenen
Linien, die alle kongruent sind; jede solche Linie heisst
ein Meridian der Drehungsfläche. Der Schnitt durch
eine Ebene parallel oder schief zur Achse liefert im all
gemeinen eine Kurve höherer Ordnung. — Drehungs
flächen erscheinen in den technischen Gebilden teils kon
vex, teils konkav, teils mit konvexen Parallelkreisen bei
konkavem Meridian, teils mit konkaven Parallelkreisen bei
konvexem Meridian. Die Achse steht entweder vertikal
oder senkrecht zur Vertikalebene oder parallel zum Grund
schnitt; schiefgerichtete Drehungsflächen liefern sehr zeit
raubende Probleme, sind aber selten. Beispiele von
Drehungsflächen bilden Säulenfüsse und Kapitäle, über
haupt Gesimse auf cylindrischen Wandflächen, Kuppel
dächer und Kuppelräume, bogenförmige Umrahmungen
von Fenstern und Thiiren, bogenförmige Nischen, Mass-
werke der gotischen Hochfenster und Rosenfenster, Ba
luster und Kandelaber, verzierte Dachspitzen, gedrehte
Knäufe und Rosetten, bogenförmige Röhren, Füsse und
andere Stützenformen an Mobilien, überhaupt alle Ar
beiten des Drehers, Vasen und Gefässe aller Art und
zahlreiche Formen aus dem Maschinenbau.
Wichtige, oft verwertete Drehungsflächen sind die
Kugel und der Wulst. Die Kugel fläche entsteht durch
Drehung eines Kreises oder Kreisbogenstücks um einen
Durchmesser; eine Wulstfläche erzeugt sich durch
Drehung eines Kreises oder Kreisbogens um eine Achse,
die in seiner Ebene liegt, aber nicht Durchmesser ist.
Von den übrigen gekrümmten Flächen sind es nur
etwa noch Wendelflächen und Schraubenflächen, die in
der Technik Verwertung finden, nicht nur bei Schrauben
gewinden flachgängig oder scharfgängig, sondern auch
bei Wendeltreppen und überhaupt Treppen mit gekrümm
tem Lauf; doch sind solche Gebilde selten ausführlich zu
schattieren, abgesehen etwa von grossen Schrauben in
Maschinenzeichnungen. Konoidische Flächen erscheinen
bei bogenförmiger Durchbrechung von kreisförmigen
Mauern; Röhrenflächen und Rückungsflächen sind ver
wirklicht in Gesimsformen, Gewölbformen, kunstgewerb
lichen und maschinentechnischen Gebilden u. s. f. Die
Definitionen dieser seltener verwerteten Flächen folgen
später. Andere gesetzmässig gekrümmte Flächen als die
genannten dürften an den technischen Gebilden nur sehr
selten zu finden sein.
Der Zweck des Studiums der Schattenkonstruktionen
ist nicht nur der, dass man die zur vollkommenen Dar
stellung nötigen Schatten auf solchen Flächen kon
struieren lernt, sondern auch, dass für die häufiger
vorkommenden Fälle das Einzeichnen der Schattengrenzen
aus freiem Auge möglich werden soll. Letzteres gilt
besonders für Darstellungen im kleineren Massstab. Wenn
man an einer zu malenden Fassade im Massstab 1 : 50
oder 1 :20 etwa einen Säulenfuss, einen Baluster oder
eine Vase zu schattieren hat, so werden die Schatten
grenzen für diese kleinen Drehungsflächen nicht kon
struiert, sondern nur nach Schätzung eingetragen. Wer
einige Uebung hat, der kann solche Schatten aus freiem
Auge mit solcher Sicherheit einzeichnen, dass die gra
phische Konstruktion nur geringe Fehler nachweisen
würde und die Schattierung für den Zweck der guten
Anschaulichkeit, dem sie ja allein dienen soll, vollkom
men genügt. Dazu gehört nur, dass man für wenige
solcher Flächen die Schatten einmal wirklich konstruiert
und das Resultat aufmerksam entstehen sehen hat. Diese
Ausbildung des Gefühls für richtige Schattierung ist ein
ebenso grosser Gewinn aus dem Studium der Schatten-