Full text: Lehrbuch der Schattenkonstruktion und Beleuchtungskunde

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Kapitel IX. Artikel 70. 
Das allgemeine Verfahren ist durch Einzeichnen der 
mit einer vertikalen Lichtstrahlenebene erhaltenen Schnitt 
kurve angedeutet. 
70. Sch rauben flächen, Wendelflächen. Die Schrau 
ben und die schraubenförmig verdrehten 
Stabformen. 
Eine Schrauben fläche im weitesten Sinne 
entsteht, wenn eine Gerade auf einer Schraubenlinie der 
art fortschreitet, dass sie ihre Richtung gegenüber der 
Schraubenlinie nicht ändert, das heisst, dass sie einen 
Kreiscylinder, der die Achse mit der Schraubenlinie ge 
meinschaftlich hat, fortwährend berührt und mit den 
Mantellinien dieses Cylinders immer denselben Winkel 
einschliesst. Auch die Berührung dieses Cylinders findet 
nach einer Schraubenlinie statt, und zwar hat diese die 
selbe Ganghöhe wie die als Leitlinie dienende. 
Ein erster besonderer Fall ist geboten, wenn die be 
wegliche Gerade die Tangente der Schraubenlinie bildet; 
die Fläche heisst dann eine „entwickelbare“ Schrauben- 
fiäche. Ein zweiter, bei den scharfgängigen Schrauben 
verwirklichter Fall ist der, dass die erzeugende Gerade 
die Achse der Schraubenlinie schneidet (wobei der oben 
genannte Cylinder den Durchmesser Null angenommen 
hat), und der Winkel zwischen beiden Geraden wieder 
unveränderlich ist. Wird der Winkel zwischen der Achse 
und der Erzeugenden ein rechter (gleichviel ob sie sich 
schneiden oder nicht), so heisst die gebildete Fläche eine 
Wendelfläche. Unterflächen von Wendeltreppen und 
die Gewindeflächen flachgängiger Schrauben sind Wendel 
flächen. 
Die Anwendung der allgemeinen Lösung für ge- 
/ krümmte Flächen auf die Schraubenflächen aller Art ge 
staltet sich ganz wie in Art. 27 für „Regelflächen“ über 
haupt beschrieben (Figur 70a). Man zeichnet eine genügende 
Zahl von Mantellinien in Grundriss und Aufriss, indem 
man den Umfang des Grundrisskreises und die Ganghöhe 
der Schraubenlinie je in 8 oder 12 oder 16 gleiche Teile 
teilt und Gebrauch macht von der Thatsache, dass bei 
einem Fortschreiten der Erzeugenden im Grundriss von 
einem Teilpunkt zum andern ihre beiden Endpunkte um 
denselben Bruchteil der Ganghöhe höher rücken. Die 
Schnittkurve einer jeden vertikalstehenden Lichtstrahlen 
ebene mit der Fläche ergiebt sich nun daraus, dass man 
die Schnittpunkte dieser Ebene mit den verschiedenen 
Mantellinien, die im Grundriss vorhanden sind, sobald die 
Lichtstrahlprojektion gezogen ist, hinauf lotet in die Auf 
risse der Mantellinie und die erhaltenen Punkte verbindet. 
Am übrigen gelangt die allgemeine Lösung aus Art. 27 
ohne weitere Hilfsmittel zur Verwertung; für den unteren 
Teil der Fläche sind die Schnittkurven eingezeichnet. 
Dieses allgemeine Verfahren «liefest zwar die Schlag 
schattengrenzen rasch unu genügend scharf, leidet aber 
in Beziehung auf die Körperschatten an dem Mangel, dass 
die Berührungspunkte der Tangenten innerhalb weiter 
Grenzen unsicher sind. Eine genauere Bestimmung ist 
möglich nach Art. 105; die dort genannte Lichtstufen 
linie + 4, die mit dem Werkzeug der Beleuchtungskunde, 
der „Normalkugel“ erhalten wird, ist nichts anderes als 
die Körperschattengrenze der Fläche. 
Eine weitere Konstruktion für die Schlagschatten 
grenzen, ebenfalls in Figur 70a zur Anschauung gebracht, 
ist die folgende. Man sucht auf einer beliebigen Horizontal 
ebene (hier der Grundebene) die Schlagschatten einer An 
zahl von Mantellinien, ferner den Schlagschatten derjenigen 
Linie, deren Schlagschatten auf der Schraubenfläche zu 
suchen ist, sei nun diese Linie eine Randlinie der Fläche 
selbst, wie bei der Selbstbeschattung in Figur 70a, oder 
sei sie die Selbstschattengrenze eines anderen Körpers. 
Wo der Schlagschatten t & u g einer Mantellinie 6 geschnitten 
wird vom Schlagschatten dieser Grenzlinie (das heisst des 
nächstoberen Flächenrandes), da ist der gemeinschaftliche 
Schlagschatten r g derjenigen zwei Punkte j und x beider 
Linien, die einander in Schatten setzen. Dieser Schlag 
schattenpunkt liegt auf demselben Lichtstrahl mit den zwei 
Punkten, so dass ein durch ihn rückwärts bis zur Mantel 
linie gezogener Lichtstrahl zum Schlagschattenpunkt ss‘ 
auf der Fläche führt. Selbstverständlich ist der erhaltene 
Punkt nur dann ein wirklicher Schattengrenzpunkt, wenn 
die Mantellinie nicht selbst im Körperschatten ist; denn 
andernfalls kann sie keinen Schatten aufnehmen. Man 
erhält auf diesem Weg die Schlagschattengrenze rasch 
und genügend scharf. 
Auch zur Bestimmung der Körperschattengrenze 
kann dieses Verfahren dienen, wenigstens der Theorie 
nach. Man sucht auf derselben Horizontalebene die 
Schlagschatten einiger Mantellinien aus demjenigen Teil 
der Fläche, auf welchem die Schattengrenze zu vermuten 
ist, zeichnet die Umhüllungskurve dieser Schlagschatten 
linien und bestimmt möglichst scharf den Berührungspunkt 
zwischen der Kurve und jeder Mantellinie. Der durch 
einen solchen Berührungspunkt rückwärts gezogene Licht 
strahl führt zu dem Körperschattengrenzpunkt auf der zu 
gehörigen Mantellinie. Wo der Durchschnitt unsicher 
wird, da ist zu beachten, dass die Mantellinie selbst durch 
den Körperschattenpunkt im gleichen Verhältnis eingeteilt 
wird wie die Schlagschattenlinie durch den Berührungs 
punkt. An die Stelle der horizontalen Ebene kann bei 
diesem Verfahren auch die vertikale Grundebene oder 
eine dazu parallele Ebene treten. Leider stösst es bei der 
praktischen Ausführung gewöhnlich auf unüberwindliche 
Hindernisse, indem es um so schwieriger ist, die Be 
rührungspunkte auf den Schatten der Erzeugenden zu 
bestimmen, je mehr sich die Schraubenfläche einer ent 
wickelbaren nähert. — 
Wenn die erzeugende Gerade der Schraubenfläche 
horizontal wird, so entsteht die Wendel fläche. Die 
Bestimmung der Schattengrenzen bleibt dabei völlig un- 
verändert. 
In Figur 70 b ist der zweite für die Schraubenfläche 
beschriebene Weg der Schlagschattenbestimmung in seiner 
Anwendung auf eine Wendelfläche parallelperspektivisch 
zur Anschauung gebracht. Auf der horizontalen Grund 
ebene ist links der Grundriss eines schattenwerfenden 
horizontalen Kreises und einer beschatteten Wendelfläche 
mit sieben Mantellinien perspektivisch gezeichnet, darüber 
die beiden Raumgebilde selbst. Auf dem gewöhnlichen
	        
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