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von mehreren Standpunkten aus zu organisiren. Die sichersten
Ortsbestimmungen und Bewegungsmessungen gingen aus den zu
genau verabredeten Zeitpunkten gleichzeitig ausgeführten photo
graphischen Aufnahmen in Steglitz und Nauen hervor. Der Ab
stand dieser beiden Stationen beträgt 35 km. Eine Parallaxe von
10mm bei einer Bildweite der Camera von 200mm zeigte, dass
die Wolken bis zu 700 km, d. h. zwanzigmal so weit entfernt
waren wie die Basis lang war. Sie lagen meist über der mittleren
Ostsee und dem südlichen Schweden in einer Ausdehnung von
mehreren hundert Quadratkilometern. Die mittlere Höhe der nur
wenige Kilometer dicken Schicht ergab sich zu 83 km. Die Un
sicherheit einer einzelnen Bestimmung, soweit dieselbe lediglich
von den Ausmessungen der photographischen Abbildungen ab
hängig war, betrug 1 bis 2 km, also etwa 2 Proc. der Höhe.
Diese grosse Genauigkeit wurde dadurch ermöglicht, dass sich auf
den Platten beider Stationen ausser irdischen Objecten auch einige
helle Sterne, namentlich a und ß im Fuhrmann abbildeten, welche
eine sehr genaue Orientirung und Parallaxenbestimmung ge
statteten. Anstatt der absoluten Bestimmungen konnten Einschal
tungen zwischen die durch die Sternbilder genau gegebenen Fest
punkte vorgenommen und so trotz der grossen Entfernung genaue
Resultate erzielt werden. Vermindernd auf diese aus den Bildern
abgeleitete Genauigkeit wirkte die rasche Bewegung und die
schnelle Veränderlichkeit der Wolken, zumal trotz Anwendung
der lichtstärksten Objective sehr lange, nahe am Horizonte bis zu
80 Secunden Dauer exponirt werden musste. Die einzelnen Ge
schwindigkeitsbestimmungen variiren bedeutend, weil nicht nur
sehr verschiedene Schnelligkeiten in der Gesammtbewegung vor
kamen, sondern auch verschiedene Geschwindigkeiten und Rich
tungen der Bewegung innerhalb der Wolkengebilde selbst, ver
bunden mit starken Formveränderungen derselben. Die Anordnung
der einzelnen Theile der Wolken war derart, dass meist längere
parallele Streifen in der Richtung der Hauptbewegung lagen,
während rechtwinkelig dazu eine grössere Anzahl kürzerer Rippen
auftraten, was nach Art der Entstehung der Wogenwolken auf
verschieden gerichtete, übereinander gelagerte Strömungen hin-
weisen würde. Es gelang Jesse, aus den im Sommer 1890 fort
gesetzten Messungen den Abstand der Längsstreifen, d. h. der
Wellenberge zu rund 9 km zu bestimmen. Die mittlere Höhe der
leuchtenden Nachtwolken ergab sich für den Sommer 1890 zu
82 km, gegenüber 83 km mittlerer Höhe im Sommer 1889. Auch
die maximale Geschwindigkeit bis zu 300 m pro Secunde, sowie die
Hauptbewegungsrichtung von Ost nach West zeigten gute Ueber-
einstimmung in beiden Jahren. Somit war diese Erscheinung in