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gesehen in Folge der starken Eigenbewegung des Mondes eine
bestimmte Monddistanz nur in einem ganz bestimmten absoluten
Zeitmomente stattfindet. Die Beobachtung, bezw. Berechnung der
Ortszeiten, wann das Eintreten der verlangten Distanz, welche
gleichsam als gemeinsam und gleichzeitig wahrnehmbares Signal
dient, stattfand, giebt dann unmittelbar den Unterschied der Orts
zeiten und damit den Längenunterschied der Beobachtungsstationeu.
Die Messung der Monddistanzen kann auf zweierlei Weise geschehen;
entweder man beobachtet nacheinander den Durchgang des Mondes
und des Sternes durch den gleichen Meridian und schliesst aus der
Zwischenzeit auf den Abstand beider, oder man misst diesen Ab
stand direct mit Hülfe des Sextanten, des Prismenkreises, oder
eines ähnlichen Reflexionsinstrumentes. Beide Arten der Messung
können auch auf photogrammetrischem Wege ausgeführt werden.
So benutzte Runge in Hannover (Zeitschr. für Verm., Jahr
gang 1893, Bd. XXII: „Ueber die Bestimmung der geographischen
Länge auf photographischem Wege“) eine gewöhnliche Photo
graphencamera und photographirte mit ihr aus derselben Stellung
erst den Mond und dann eine Stunde später das Sternbild des
Löwen, nachdem dieses in das Gesichtsfeld der inzwischen mit einem
schwarzen Tuche verdeckten Camera getreten war. Dr. Schlichter
in London (Verhandlungen des X. deutschen Geographentages,
Berlin 1893: „Eine neue Präcisionsmethode zur Bestimmung geo
graphischer Längen auf dem festen Lande“) modificirte diese
Methode in der Art, dass er Mond und Stern gleichzeitig photo-
graphirt und zwar in solcher Stellung der Camera, dass die beiden
Bilder zur optisch-photographischen Axe des Instrumentes möglichst
symmetrisch liegen, d. h. gleichen Abstand von ihr haben. Zur
Vergleichung photographirte er in analoger Weise zwei bekannte
hellere Fixsterne, welche annähernd den gleichen Abstand hatten,
wie vorher Mond und Stern, und leitete aus der bekannten Stern
distanz und dem Verhältnisse der auf der Platte abgemessenen
beiden linearen Distanzen durch Rechnung die gesuchte Monddistanz
ab. Die erste Methode leidet an dem Uebelstande, dass jede Lagen
veränderung der Camera zu Fehlern führt; sodann ist der Rand
des photographischen Mondbildes niemals scharf genug begrenzt,
um eine genaue Abmessung zu gestatten. Dies liegt in der Natur
der Sache, denn das Bild auf der Platte besteht aus kleinen Silber
partikeln, welche bei stärkerer Vergrösserung einzeln sichtbar
werden. Sie häufen sich bei zunehmender Wirkung des Lichtes
mehr und mehr an und sind in ihrer Zahl und Dichte abhängig
von der Expositionszeit, der Durchsichtigkeit der Luft, der Höhe
des Mondes über dem Horizonte etc., weshalb man je nach den
wechselnden äusseren Umständen abweichende Resultate erhält.