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früher um die Grösse der Erde als Kugel, sondern um ihre in dem Ab
plattungswerte zum Ausdruck gelangende Gestalt handelte. Von nun an
war es notwendig, die bisher auf beliebigen Grosskreisen der Erdkugel
in gleicher Weise vorgenommenen Gradmessungen für die elliptischen
Meridiane anders als für die kreisförmigen Parallele auszuführen und im
Zusammenhänge damit Breiten- und Längen - Gradmessungen zu unter
scheiden.
Die nach den französischen Expeditionen in verschiedenen Ländern
vorgenommenen Gradmessungen, welche nur unbedeutende Ergebnisse
lieferten, wurden erst wieder neu belebt, als im Jahre 1792 der National
konvent der französischen Republik beschloss, durch Mitglieder der Pariser
Akademie der Wissenschaften ein unveränderliches Mass hersteilen zu lassen,
bei dessen Bestimmung nichts Willkürliches oder den besonderen Verhält
nissen irgend eines Volks Angepasstes zu Grunde läge. In Folge dieses
Beschlusses genehmigte die Nationalversammlung den Vorschlag der Aka
demie: den zehnmillionsten Teil der Länge des Erdmeridian-Quadranten
aK Masseinheit oder Meter zu erklären. Zur materiellen Herstellung
dieses Masses war die genaueste Kenntnis der Grösse eines Meridians
und deshalb eine neue, mit allen Mitteln der Wissenschaft und Technik
ausgestattete Breitengradmessung notwendig. Dieselbe wurde auch unter
Borda’s Leitung von Méchain und Delambre auf dem schon dreimal be
nutzten Meridian der Pariser Sternwarte ausgeführt und zur Grundlage
des Gesetzes vom 10. Dezember 1799 gemacht, mit dem das jetzt fast
über die ganze Erde verbreitete zehnteilige Mass- und Gewichtssystem
(Système métrique décimale) in Frankreich Gültigkeit erlangte.
Die Fortschritte, welche sich bei diesem grossartigen Unternehmen
ergaben, waren teils technischer, teils wissenschaftlicher Natur, insoferne
nicht bloss vielfache Verbesserungen der Messinstrumente und Messmethoden,
sondern auch neue Lehrsätze gefunden und angewendet wurden, um die
gesuchte Abplattung der Erde und damit die Länge des Meridianquadranten
mit der zur damaligen Zeit möglichen Genauigkeit zu bestimmen. Wegen
dieser neuen Gradmessung standen zu Anfang des neunzehnten Jahr
hunderts die Franzosen entschieden an der Spitze der geodätischen Wissen
schaft, und sie verdankten ihren Vorrang vor den anderen Völkern haupt
sächlich dem Umstande, dass den letzteren von ihren Regierungen keine