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Es mag auffallend erscheinen, dass zu Anfang unseres Jahrhunderts, wo
doch die Yega’schen Logarithmentafeln zur Hand waren, die numerische
Berechnung spärischer Dreiecke noch immer Schwierigkeiten bereitet
haben soll. Gleichwohl war es der Fall, und zwar deshalb, weil sieben
stellige Logarithmentafeln den zu einer auf der Erdoberfläche gelegenen
Dreiecksseite gehörigen Centriwinkel nur bis auf den zehnten oder höch
stens zwanzigsten Teil einer Sekunde genau liefern, während man ihn bis
auf den tausendsten Teil dieser winzigen Grösse kennen müsste, um hier
aus mit Hilfe des Erdhalbmessers die Bogenlänge bis auf drei Centimeter
genau zu berechnen. Denn da ein vom Mittelpunkt der Erde ausgehender
Winkel von einer Sekunde an der Erdoberfläche einen Bogen von dreissig
Meter oder dreitausend Centimeter umfasst, so gehört zu dem tausendsten
Teil einer Sekunde noch immer ein Bogen von drei Centimeter.
Soldner’s Erfindung bestand nun in der Angabe eines Rechnungs
verfahrens, das ohne jedes andere Hilfsmittel als eine von ihm entwor
fene Tabelle (die Additamententafel) gestattete, aus dem siebenstelligen
Logarithmus des Sinus eines Bogens die Bogenlänge selbst bis auf einen
Centimeter richtig und folglich so genau zu berechnen als man nur
immer wünschen konnte. Was für die Berechnung der sphärischen Drei
ecksseiten gilt, lässt sich auch von den kreisförmigen Koordinaten sagen,
auf welche Soldner seine, ein so ausserordentlich einfaches und klares
Bild der gegenseitigen Lage der Dreieckspunkte gewährendes Plannetz
der Bayerischen Landesvermessung und damit die nach ihm benannte
Kartenprojektion gegründet hat. 10 )
Theorie und Erfahrung lehren, dass kein geometrisches Netz der
Kugelfläche so gut sich anschliesst als das von Soldner für die Bayerische
Landesvermessung angegebene; in keines lassen sich die trigonometrisch
bestimmten Punkte so bequem und sicher eintragen als in dieses, und
darum gewährt auch kein anderes eine so zuverlässige Grundlage der
Detailmessung als das Bayerische. Erwägt man dies und vergegenwärtigt
sich, dass Utzschneider die damals eben erfundene Lithographie den
Katasterzwecken dienstbar machen und auf rein mechanischem Wege die
Fluraufnahme von den Originalplänen auf Stein übertragen liess, was
mit wunderbarer Präzision geschah und heute noch geschieht, so begreift
man wohl, dass die Bayerische Katastermessung sofort nach ihrem Bekannt-