41
in Bezug auf die Gröfse des zurückgelegten Weges mufste man sich
noch mit der Schätzung nach dem Augenmafse, mit der Gissung be
gnügen; die Logge war noch nicht erfunden. Da war es nun für den
Seemann von der gröfsten Wichtigkeit, dafs er auf der platten Karte
die auf seinem Kurse durchsegelte Distanz messen, d. h. dafs er die
Loxodrome rectifizieren oder geradstrecken konnte. Es geschah das
mit Hülfe des Kursdreiecks, das nicht auf der Kugeloberfläche, son
dern nur in der Ebene vorhanden ist. Um die Begriffe klar zu
stellen, wollen wir annehmen, dafs ein Schiff während des Etmals d.
h. von Mittag bis Mittag den Kurs WO gesteuert, also jeden Meridian
unter einem Winkel von 45° geschnitten hat. Auf der Kugelober
fläche, wo die Meridiane konvergieren, mufs diese Kurslinie eine
krumme Linie sein, woher ihr Name Loxodrome, d. h. schiefläufige
Linie rührt; auf der platten Karte aber, wo die Meridiane parallel
laufen, ist es eine gerade. Denken wir uns nun die gesegelte Distanz
in lauter unter sich gleiche, kleinste Teile zerlegt und durch den An
fangspunkt einer jeden Teilung einen Meridian, und durch den End
punkt jeder Teilung einen Breitenparallel gelegt, so entstehen lauter
kleinste rechtwinklige gleichschenklige Dreiecke, so dafs das Schiff mit
jedem kleinsten Distanzteile ebensoviel nach Ost als nach Nord kommt
oder dafs nach der in § 7 gegebenen Erklärung die gutgemachte Ab
weitung dem gutgemachten Breitenunterschiede gleich ist. Und wenn
man alle kleinsten Breitenunterschiede und alle kleinsten Abweitungen
summiert, so entsteht das, was der Seemann das Kursdreieck nennt. Da
nun in diesem durch die von Mittag zu Mittag bestimmte Breite der im
Etmal gutgemachte Breitenunterschied und durch den Kompafs der Kurs
winkel, in unserem Falle 45°, bekannt war, so gab ihm die Hypote
nuse genau die Gröfse des zurückgelegten Weges. Tn den älteren
Lehrbüchern der Steuermannskunst z. B. dem des Lübeckers von der
Horst, Lübeck, 2. Ausg. 1676, wird deshalb ausdrücklich darauf hin
gewiesen, dafs man auf diese Weise Gelegenheit habe, sich auch auf
hoher See in der Schätzung des zurückgelegten Weges zu üben:
»Up grote Fahrwaters mag men leren gude Gissung maken, so men
alle Dage bequem Weder hefft, dat men kan Höchte an der Sün un
Steren nehmen,' den ut de Yerandering der Brede un Wetenschap
van dat Kors, dat men segelt, mag men erkennen, wo veel Milen dat
men in de Tyd gesegelt hefft«. Aber es würde mich zu weit führen^
wenn ich hier näher auf die Benutzung der platten Karte durch die
Seeleute eingehen wollte; genug, dafs sie ihnen damals dieselben Dienste
leistete, wie es heute die Grad- und Strichtafeln beim Koppeln der
Kurse thun.
Indem nun Mercator fortschreitend jeden kleinsten Bogen des