Full text: Das Verebnen der Kugeloberfläche für Gradnetzentwürfe

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in Bezug auf die Gröfse des zurückgelegten Weges mufste man sich 
noch mit der Schätzung nach dem Augenmafse, mit der Gissung be 
gnügen; die Logge war noch nicht erfunden. Da war es nun für den 
Seemann von der gröfsten Wichtigkeit, dafs er auf der platten Karte 
die auf seinem Kurse durchsegelte Distanz messen, d. h. dafs er die 
Loxodrome rectifizieren oder geradstrecken konnte. Es geschah das 
mit Hülfe des Kursdreiecks, das nicht auf der Kugeloberfläche, son 
dern nur in der Ebene vorhanden ist. Um die Begriffe klar zu 
stellen, wollen wir annehmen, dafs ein Schiff während des Etmals d. 
h. von Mittag bis Mittag den Kurs WO gesteuert, also jeden Meridian 
unter einem Winkel von 45° geschnitten hat. Auf der Kugelober 
fläche, wo die Meridiane konvergieren, mufs diese Kurslinie eine 
krumme Linie sein, woher ihr Name Loxodrome, d. h. schiefläufige 
Linie rührt; auf der platten Karte aber, wo die Meridiane parallel 
laufen, ist es eine gerade. Denken wir uns nun die gesegelte Distanz 
in lauter unter sich gleiche, kleinste Teile zerlegt und durch den An 
fangspunkt einer jeden Teilung einen Meridian, und durch den End 
punkt jeder Teilung einen Breitenparallel gelegt, so entstehen lauter 
kleinste rechtwinklige gleichschenklige Dreiecke, so dafs das Schiff mit 
jedem kleinsten Distanzteile ebensoviel nach Ost als nach Nord kommt 
oder dafs nach der in § 7 gegebenen Erklärung die gutgemachte Ab 
weitung dem gutgemachten Breitenunterschiede gleich ist. Und wenn 
man alle kleinsten Breitenunterschiede und alle kleinsten Abweitungen 
summiert, so entsteht das, was der Seemann das Kursdreieck nennt. Da 
nun in diesem durch die von Mittag zu Mittag bestimmte Breite der im 
Etmal gutgemachte Breitenunterschied und durch den Kompafs der Kurs 
winkel, in unserem Falle 45°, bekannt war, so gab ihm die Hypote 
nuse genau die Gröfse des zurückgelegten Weges. Tn den älteren 
Lehrbüchern der Steuermannskunst z. B. dem des Lübeckers von der 
Horst, Lübeck, 2. Ausg. 1676, wird deshalb ausdrücklich darauf hin 
gewiesen, dafs man auf diese Weise Gelegenheit habe, sich auch auf 
hoher See in der Schätzung des zurückgelegten Weges zu üben: 
»Up grote Fahrwaters mag men leren gude Gissung maken, so men 
alle Dage bequem Weder hefft, dat men kan Höchte an der Sün un 
Steren nehmen,' den ut de Yerandering der Brede un Wetenschap 
van dat Kors, dat men segelt, mag men erkennen, wo veel Milen dat 
men in de Tyd gesegelt hefft«. Aber es würde mich zu weit führen^ 
wenn ich hier näher auf die Benutzung der platten Karte durch die 
Seeleute eingehen wollte; genug, dafs sie ihnen damals dieselben Dienste 
leistete, wie es heute die Grad- und Strichtafeln beim Koppeln der 
Kurse thun. 
Indem nun Mercator fortschreitend jeden kleinsten Bogen des
	        
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