Full text: Das Verebnen der Kugeloberfläche für Gradnetzentwürfe

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habe die Erfahrung gemacht, dafs dem Anfänger dadurch die Auf 
fassung nicht erleichtert, sondern erschwert wird. Offenbar haben sich 
die Kegelprojektionen die Gunst der Mathematiker z. B. Eulers da 
durch erworben, dafs sich bei ihnen die Meridiane und Breitenparal 
lele überall rechtwinklig schneiden, und es wird der abweitungstreue 
Entwurf von Ptolemäus-Mercator, der pseudobonnische scharf getadelt, 
weil bei diesem die Winkel nach dem Bande hin stark verzerrt wer 
den. Das ist zwar wahr, aber doch nur natürlich. Jeder Anfänger, 
der den Blick, wie das nun einmal nicht anders geschehen kann, von 
aufsen und von oben auf den Globus wirft, sieht ja, dafs die Winkel 
zwischen den Meridianen und Breitenparallelen um so mehr von einem 
Rechten abweichen, je weiter sie sich nach rechts und links vom 
Mittelmeridiane entfernen. Ein Maler, der den Globus naturgetreu 
abbilden will, kann ja die Rechtschnittigkeit gar nicht beibehalten, 
ebensowenig wie er die Ecke eines Würfels, die durch drei rechte 
Winkel gebildet wird, durch drei rechte Winkel zur Darstellung brin 
gen kann. Wo die Perspektive naturwidrig ist, wie bei der stereo 
graphischen Projektion, da wird sie angewendet, aber da wo sie natur- 
gemäfs ist, da will man sie nicht berücksichtigen. Die pseudobonnische 
Projektion ist nur deshalb zu verwerfen, weil es eine weit bessere 
giebt, die flächentreue strahlige von Lambert. Und wenn man auf 
die Winkelverzerrung so viel Gewicht legt, heifst es nicht Mücken 
seigen und Kameele verschlucken, wenn man zwar die Rechtschnittig 
keit der Meridiane und Breitenparallele aufrecht erhält, aber den 
Winkel zwischen den Meridianen am Pole willkürlich verändert? Viel 
leicht, dafs mich der stete Verkehr mit den Seeleuten, bei denen die 
deutliche Vorstellung der Längen- und Zeitunterschiede eine so wich 
tige Rolle spielt, an zu strenge Anforderungen gewöhnt hat, aber es 
ist nun einmal nicht anders: w r enn auf einer Kegelprojektion, auf der 
nach Lambert’s Bezeichnung m = \ ist, der Meridian von Hamburg 
mit dem von der Beringsstrafse, die doch einander gerade gegenüber 
liegen, einen rechten Winkel bildet, so ist das für Jeden, der aus der 
Karte ein klares Bild von der gegenseitigen Lage zweier Orte gewinnen 
will, geradezu widerwärtig. Nicht die zierliche mathematische Formel, 
sondern der gesunde Menschenverstand sollte in diesen Dingen mafs- 
gebend sein. Man mag über meine Mittel, jungen Leuten eine klare 
Vorstellung über die Verebnung der Kugeloberfläche beizubringen, 
immerhin spotten, aber mir hat einmal ein alter Regenschirm dabei 
vortreffliche Dienste geleistet. Ein von der Mitte aus über einen 
Bügel gelegter und dann abgewickelter Faden diente z. B. zum Ver 
gleich des sphärischen Halbmessers der Kugelhaube mit ihrem gerad- 
nigen usw., und als diese Erklärungen gegeben waren, da wurde
	        
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