Erster Abschnitt
Theorie des Nivellirens der Linien.
§. 121. Durch das Mvelliren werden die Erhöhungen und Dertie-
sullgen der Erdfläche bestimmt. In vielen Fällen genügt blos die Bestim
mung einer an der Erdfläche gelegenen Linie (Trace) und hiezu ist die
Länge jedes einzelnen Stückes, 2. der Neigungswinkel dieses Stückes gegen
den durch einen seiner Endpunkte gedachten wahren Horizont und 3. die
horizontale Projektion der Winkel, unter welchen sich je zwei Stücke der
Trace schneiden, erforderlich; auch ist bekannt, daß jeder einzelne Ncignngs-
winkel in einem rechtwiuklichen vertikalen Dreiecke vorkommt, dessen Hypo-
thennse und horizontale Kathete die wahre unb horizontale Entfernung
beider Endpunkte, die vertikale Kathete aber die relative Höhe des einen
Punktes bezüglich des andern ist; daß demnach die beiden Katheten den
Steigungswinkel bestimmen.
Das Messen der horizontalen Projektion der Winkel, so auch das der
Linien wurde bereits im 1. Theile umständlich erklärt, auch die Methoden
vertikale Linien zu messen, wurden bei der Theorie des Höhenmessens ange
geben, allein, da bei dem Nivelliren die einzelnen Höhenunterschiede meistens
sehr klein, selten über 2 Klafter sind, so ist keine der daselbst erklärten Metho
den in diesem Falle genau und bequem genug.
Die Theorie des Nivellirens beschäftigt sich daher zunächst mit der
Angabe jener Mittel, wie die kleinen Höhenunterschiede mit der erforderli
chen Schärfe gemessen werden und dies geschieht — weil die Höhen so
klein sind — am einfachsten, daß in dem einen Endpunkte der Linie, deren
Neigungswinkel bestimmt werden soll, ein Maßstab vertikal gestellt und
durch ein Jnstrurnent der Punkt bestimmt wird, in welchem jener von dem
wahren Horizont geschnitten wird, der durch den andern Endpunkt gelegt
ist; dadurch bekommt man den Höhenunterschied beider Punkte unmittelbar.
Nachdem aber die Instrumente nur eine scheinbar horizontale Visur
anzugeben vermögen, so erreicht man auch den Zweck, wenn der Durchschnitt
zwischen dem scheinbaren Horizonte und dem Maßstabe bestimmt, dagegen der
Unterschied zwischen dem wahren und scheinbaren Horizonte besonders in
Rechnung gebracht wird.