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Es muss hierbei das an einer anderen Stelle über den Ein
Hass der Steigungsverhältnisse einer Bahnlinie auf den Betrieb Be
merkte in Erinnerung gebracht und darauf hingewiesen werden,
dass die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven im umgekehrten Ver
hältnisse mit den Steigungen der Bahn steht und auf horizon
taler Strecke das Maximum erreicht. Wenn man nun auch die
der Maschine aus der krummlinigen Führung der Bahnlinie ent-
gegensteheuden und nicht unbedeutenden Beweguugshindernisse ei-
uen Augenblick lang ausser Betracht lässt, so darf doch die Zugs
kraft der Maschine im Hinblick auf vielfältig vorhandene andere
Umstände nie ganz ausgenützt werden, und ist stets ein Ueber-
schuss an Kraft vorhanden, der zur Ueberwindung des Widerstan
des in den Steiguugen verwendet wird.
Die Grösse dieses Kraftüberschusses hängt unter Annahme einer
bestimmten Leistungsfähigkeit der Maschine in erster Linie von
der Grösse der zu bewegenden Last, somit von der Gattung und
Zusammensetzung der zu befördernden Züge ab.
Ist sonach der voraussichtliche Verkehr einer Bahn so be
schaffen, dass auf derselben nur kurze oder verhältnismässig leichte
Züge zur Beförderung gelangen werden, so wird es gestattet sein,
nachdem in diesem Falle ein bedeutender Kraftüberschuss der
Maschine vorhauden ist, der Bahnlinie unter Annahme gleicher Rich-
tungsverhältuisse grössere Steigungen zu geben, als wenn die Liuie
mit langen und schweren Zügeu befahren werdeu sollte, und lässt
sich aus diesen zwei Faktoren der Leistungsfähigkeit der Maschinen
und des Gewichtes der zu befördernden Züge auch die Grenze
bestimmen, bis zu welcher mit diesen Steigungen noch gegaugen
werden kann. Nachdem ferner für die Bewältigung grösserer Stei
gungen ein grösserer Kraftaufwand, sonach eine erhöhte Dampf
entwickelung und ein vermehrter Brennstoffverbrauch notwendig
sind, welche bei Befahrung kleinerer Steigungen als überflüssig ver
loren gehen, so soll man bei Bestimmung der Nivellette möglichst
darauf Rücksicht nehmen, dass, wenn auf einer Bahnlinie grössere
Steigungen unvermeidlich sind oder mit Rücksicht auf Bauerspar
nisse in Anwendung kommen sollen, dieselben innerhalb einer
Strecke wenn thunlich aufeinander folgen, und nicht etwa starke
Steigungen mit geringeren Steigungen oder gar mit Gefällen wechseln.
Solche Gegengefälle wären, wenn nicht andere triftige Gründe
dafür sprechen, innerhalb einer zwischen zwei Punkten aufsteigen
den Linie insofern ganz zu vermeiden, als durch Einlegung eines
Gegengefälles die nach Ueberwindung der vorhergehenden Steigungen
erklommenen Höhen wieder aufgegeben würden und sonach von
der fortzuschaffenden Last vom neuen erstiegen werden müssten,
wodurch eine unnötige Kraftverschwendung verursacht würde.
Der richtigen Verteilung der auf einer Strecke zur Anwendung
kommenden Steigungen nach den eben erwähnten Grundsätzen ist
sonach bei Einlegung der Nivellette die grösste Sorgfalt zuzuwen-
den, und sind dabei stets die Bau- und Betriebsinteressen in das
richtige Verhältnis zu einander zu bringen.