Full text: Anleitung zum Tracieren von Eisenbahnlinien für angehende Ingenieure

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Hat man nämlich mit einem vorher festgesetzten Gefälle eine 
gewisse gebrochene Eutwickelungsliuie bestimmt und iu diese ge 
brochene Linie die aus Geraden und Kreisbögen nach seinem Er 
messen passeudste Bahntrace eingezeichnet, so besitzt diese Trace 
in Wirklichkeit nicht genau das gewählte Entwickelungsgefälle, son 
dern in den meisten Fällen ein grösseres Gefälle, was daher kommt, 
dass die aus Geradeu und Kurven zusammengesetzte Trace immer 
kürzer ist, als die gebrochene Entwickelungslinie und sich demnach 
dasselbe Gesamtgefälle vom Anfangs- bis zum Endpunkte der Trace 
auf eiue geringere Länge verteilt, als dies bei der Entwickelung der 
Fall war. 
Daraus folgt, dass man stets in einem geringeren Gefälle ent 
wickeln sollte, als dasjenige ist, das man der definitiven Trace zu 
geben beabsichtigt. Für diese Abschwächung des Entwickelungs 
gefälles lässt sich jedoch keine Regel aufstellen; sie muss in jedem 
Falle eine andere sein, häugt ganz von der Natur und Beschaffen 
heit des Terrains ab, und wird um so grösser je zahlreicher uud 
schärfer die Ecken der gebrochenen Entwickelungslinie sind. 
Um hiefür einen halbwegs richtigen Massstab zu gewiuuen, ist 
sonach vorerst eine ganz detaillierte Rekognoszierung des betreffen 
den Terrains geboten, denn erst auf Grundlage derselben wird sich 
der erfahrene und geübte Ingenieur ein auuährungsweises Bild da 
von zu bilden in der Lage sein, inwieweit die definitive Bahntrace 
der im Gefälle zu entwickelnden gebrochenen Linie folgeu können 
wird, oder an welchen Stellen infolge der Natur des Terrains die 
einzelnen Entwickelungspunkte näher aneinander zu rücken wären. 
Von dem Resultate dieser Rekognoszieruug, die jedenfalls ein 
geübtes Auge des Ingenieurs voraussetzt, hängt nun erst die Wahl 
des für die Entwickelung wirklich anzuwendenden Gefälles ab. 
Es bedarf hier kaum eines besonderen Beweises, das die Dif 
ferenz zwischen dem Entwickeluugsgefälle und dem nachmaligen 
Gefälle der definitiven Trace auch um so geringer sein wird, je 
sanfter das angenommene Gefälle selbst ist, und dass diese 
Differenz verhältnismässig um so grösser je stärker das Gefälle 
wird. Während mau z. B. in mässig koupiertem Terrain, um eiu 
Tracengefälle von 1 : 300 zu erreichen, etwa ein Entwickelungsge 
fälle von V-sio anzuwendeu hätte, wird man, wenn das Gefälle 
der definitiven Trace */±0 betragen soll, als Entwickeluugsgefälle 
schon l li5 bis V50 anzunehmen haben, durch welchen Umstand allein 
die Entwickelung in sehr starkem Gefälle stets nur unsichere Re 
sultate liefert, während andererseits in offenem uud sauft ansteigen 
dem oder abfallendem Terrain andere Methoden viel rascher und 
sicherer zum Ziele führen. 
Ganz besonders ist dieser Umstand endlich in Betracht zu 
ziehen, wenn man thalaufwärts entwickelt, wo es wegen Mangel des 
nötigen Ueherblickes gar leicht Vorkommen kann, dass man mit 
seiner Eutwickelungsliuie an einem Punkt anlangt, von welchem die 
Terrainverhältuisse ein Weitergehen mit der angenommenen Stei 
gung nicht mehr gestatten 
In dieser Hinsicht ist es daher namentlich den weniger geüb 
ten Ingenieuren anzuraten, stets nur nach abwärts und nie nach
	        
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