D. Casuistik. §. 22.
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Offenbar sind die Lebens- und Rechtsverhältnisse,
an sich, welche der Prätor durch seine Rechtsnormen re
gelte, nicht untergeordneterer Natur, als die vom
ju8 civile geregelten Verhältnisse. Die Abänderung des
civilen Erbrechts durch die Prätoren, die Einführung von
Klagen, wie der actio Publiciana, Pauliana, doli be
weisen, daß die Rechtsverhältnisse des prätorischen Rechtes
nicht unwichtiger waren, als die zum Theile minutiösen
Rechtsverhältnisse der civilen Institute — der civilen
servitutes stillicidii u. s. w. — und daß die prätorischen
Rechtsmittel, wenn sie dennoch großentheils in kürzerer
Zeit verjährten, nicht wegen ihrer inneren Unbedeu
tendheit der kürzeren Verjährung unterlagen.
Dagegen zeigt eine gegenseitige Vergleichung der ein
zelnen, correspondirenden civilen und prätorischen Rechte
selbst den rein äußeren Grund, welcher als die wirk
liche Ursache der Hintansetzung der prätorischcn Rechtsin
stitute gegenüber den civilen und der kürzeren Verjährungs
frist der prätorischen Klagen zu betrachten ist. Es ergibt
sich nämlich, daß auch bei einem gleichartigen und selbst
bei demselben zu normirenden Rechtsverhältnisse die
Qualität der vom Prätor verliehenen Rechte selbst stets
dieses an sich weniger wirksam u. z. B. in Collisionssällen nach
stehend gewesen wäre" k. — Ist dieser Ausspruch der im Texte ent
haltenen Ausfassung entgegen? Die Frage muß verneint werden;
der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Allerdings war das sus
llonor. in seiner materiellen Wirkung, z. 58. eben in Collisionsfällen,
nicht minder wirksam; dagegen war der formelle Rechtsschutz, z. B.
die Klagbarkeit und die Zeitdauer der Klagen, allerdings ein be
schränkter, wie die weitere Ausführung im Texte selbst ergeben dürste.
5) Vgl. §. 3 mit §. 2 I. de act. (4, 6).