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D. Casuistik. §. 23.
Verletzung zugefügt hat. Der letztere wird unbestritten
mit der Privatpönalklage bestraft; warum sollte nicht auch
der erstere eine Strafe erleiden? Das römische Recht zwar
bestraft die culposen Körperverletzungen nicht; ja nicht
einmal bei Tödtungen war ursprünglich in Rom eine Strafe
wegen culpa gegeben! (Heffter Crim.-R. §.235). Da
gegen wird in dem heutigen deutschen Criminalrecht durch-
gehends die culpa bei Tödtungen sowohl, als bei Kör
perverletzungen gestraft: In dieser Beziehung also ist die
heutige Rechtsüberzeugung (wie in manchen ähnlichen
Sparten des Criminalrechts) weiter vorgeschritten, als
das römische Recht; und da der vorliegende Rechtssatz der
Schmerzengeldklage lediglich nach inneren Rechtsgründen
zu entscheiden ist, so ist hier der innerlich begründeteren,
modernen Rechtsregel der Vorzug zu gestatten, d. i. die
Schmerzengeldklage bei culposen Körperverletzungen zu
zulassen.
Man könnte nun die weitere Frage stellen: wie wohl
die Römer dazu kamen, eine Strafe bei culposen Körper
verletzungen auszuschließen. Wir können uns bezüglich
dieser Frage an eine Thatsache halten, die wir selbst noch
vor Augen sehen. Die Römer warfen verschiedene, heut
zutage in ihrer selbstständigen Natur anerkannte Delikte
unter den Einen Begriff der injuria zusammen, welche in
Deutschland in der Folge in einzelne selbstständige Rechts
institute aufgelöst wurden; insbesondere ist, wie erwähnt,
aus der röm. injuria im weiteren Sinne des Worts die
Deliktsklage wegen Schmerzengeldes herausgebildet, und
diese von der Klage wegen Injurien im engeren Sinne
(Ehrenverletzungen) unterschieden. In Folge dieses Zu