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Bezüglich der Anwendbarkeit einer jeden bisher ge
gebenen Satzung entscheidet bekanntlich der Gedanke,
der Wille des Gesetzgebers oder des sonstigen Urhebers
der fraglichen Satzung 2 ). Dieser Fundamentalsatz muß
auch von den römischen Rechtsregeln gelten, und aus
dieser Thatsache dürfte sich die weitere Folge mit Noth
wendigkeit ergeben, daß die heutige römische Rechts
regel und deren System nicht als die ausreichende ge
meine Rechtsregel gelten kann. Die vermittelnden Schlüsse,
welche zu dieser Annahme berechtigen, sind folgende.
Weil der Wille des Urhebers eines Rechtes über das
Maßgeben des von ihm erzeugten Rechts selbst entscheidet,
so kann jedes anzuwendende Recht, welches nicht an dem
Orte oder in der Zeit seiner jetzigen Anwendung entstan
den ist, nur dann heutzutage direkt maßgeben, wenn
die thatsächlichen (historischen) Verhältnisse, welche
diesem Rechte an dem Orte und zur Zeit seiner Entstehung
zu Grunde lagen, noch dieselben sind. Unter dieser Vor
aussetzung allein entspricht die fernere direkte Anwendung
eines (dem Ort und der Zeit nach) überlieferten Rechts
dem Willen und Gedanken seines Urhebers. Offenbar
konnte und kann ein derartiges Recht nur solche Ver
hältnisse normiren wollen, welche ihm in der Wirklich
keit zur Beurtheilung vorlagen, nicht solche, welche zur
Zeit seiner Entstehung gar nicht gegeben waren! —
Dieser Grundsatz gilt auch bezüglich der direkten Anwend
barkeit des römischen Rechts, und dieselbe Regel beweist
2) v. Savigny Syst, l §.32, 33. - Puchta Pand. 15. —
Thöl Eint. §. 59, 3.