Entwickelungsphasen der theoretischen Chemie.
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sich ebenfalls mit einander verbinden. Solche Reactionen nannte
Gerhardt Substitution durch Reste, und die Anschauungsweise
Gerhardt’s wurde Theorie oder Gesetz der Reste genannt.
Diese Theorie diente dem neuen Begriffe des Ausdruckes Ra
dical als Basis.
Ursprung des Begriffes von dem chemischen Molecül.
Bald darauf erschienen Gerhardt und Laurent als Ver
kündiger neuer Begriffe von solchen Quantitäten der Körper,
die chemisch wirklich einander entsprechen und ohne Zwang
mit einander vergleichbar sind. Durch die Betrachtung der
Reactionen der organischen Verbindungen (Laurent) und ihrer
Volume in Dampfgestalt (Gerhardt) gelangten diese Chemi
ker zur Unterscheidung der Begriffe von einem chemischen
Molecül, Atom, Aequivalent, — zu dem Volumgesetz und zum
Gesetz der paaren Aequivalentzahl. Sich auf diese Gesetze
stützend, änderten Laurent und Gerhardt die Formeln vieler
Verbindungen, und diese Veränderungen wurden in der Mehr
zahl der Fälle durch spätere Forschungen bestätigt. Aus eben
denselben Gründen schlug Gerhardt eine Aenderung der Atom
gewichte einiger Elemente fC == 12 statt C = 6, 0 = 16 statt
0 = 8 u. s. w.) vor und führte die zweivolumigen Formeln
an Stelle der viervolumigen ein. Diese neuen Atomgewichte,
die anfänglich, besonders von Berzelius, hartnäckig bestrit
ten wurden, sind jetzt die herrschenden.
Unitarsystem oder Unitartheorie.
55. Nach einiger Zeit erzeugten diese Anschauungen das
Unitarsystem, welches von Gerhardt zuerst in seiner allge
mein bekannten „Introduction“ erörtert, und später in seinem
klassischen Werke „Traité de chimie organique“ vollständig
angewandt wurde. Die Grundzüge der neuen Theorie, die ei
gentlich eine moleculare genannt zu werden verdient, bestanden
in der consequenten Verwerthung der Lehre von dem chemi
schen Molecül und des neuen Begriffs (§ 54) von den Ra-
dicalen. Beide sind, wie aus dem Vorhergegangenen ersicht
lich, auch bei den neuesten Anschauungen beibehalten worden.
Das Bestreben Gerhardt’s, alle Arten von Reactionen auf
die doppelte Zersetzung, die er typische Reaction (réaction type)
nannte, zurückzuführen, und seine Idee von der Bedeutung der