Die Bedeutung der Karte.
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zu verdunkeln. Es wird gewissen Tatsachen — hierbei handelt es sich’ nur um an
gewandte Karten — ein Wert beigelegt, den sie gar nicht besitzen. Darin besteht eben
die große Gefahr der Tendenzkarten, daß zumeist Tatsachen in das Kartenbild hinein
gelogen werden. Diese Art Karten hat man bereits mit den verschiedensten Zweck
bestimmungen auf den Markt gebracht; neuerdings in schamlosester Weise von seiten
Polens. Bei den polnischen Karten blickt man in einen Abgrund von wissenschaftlicher
und kartographischer Gewissen- und Kritiklosigkeit. 1 Ihre Absicht ist, den wahren
Tatbestand zu verschleiern und auf diese Weise sich Vorteile zu verschaffen, die kulturell,
wissenschaftlich und völkisch unbegründet sind; und so werden sie zu einem beredten
und betrübenden Zeugnis dafür, wie verderblich die Karte ist, wenn sie als ein falsch
aufgebautes, Sand in die Augen streuendes und skrupelloses Propagandamittel ge
braucht wird. Diese Ausartung der Karte kann nicht genug gebrandmarkt werden.
Einer erfreulichem Seite der Ausartung von Karten begegnen wir in altern Karten,
die wir als Kartenkuriosa ansprechen. Es sind die Karten, die man im 18. Jahr
hundert als „hieroglyphische“ oder „Phantasiekarten“ (mappae imaginariae) be
zeichnte und die moralische, politische und sonstige historische Vorstellungen in der
Form einer Landkarte brachten. Mithin sind es gar keine Landkarten im eigentlichen
Sinne, aber als kulturhistorische und kartographische Denkmäler haben sie einigen
Wert. Unter den altern Schriftstellern sind es z. B. Hauber 1 2 , sodann der Verfasser
des mehrfach zitierten Artikels „Landkarte“ in der Ökonomisch-technologischen
Enzyklopädie von J. G. Krünitz, die die Kartenkuriosa erwähnen. Am berühmtesten
war die Karte von „Utopien- oder Schlaraffenland“ aus dem Ende des 17. Jahrhunderts.
Die Karte ist mehrmals nachgeahmt worden und wird einigemal bei altern Schrift
1 Dahin gehört die polnische Karte „Polen und seine Nachbarn“ 1921. Die statistischen An
gaben sind ganz falsch bearbeitet. Eine andere gleichzeitige polnische Karte stellt s,Religionsverhält
nisse von Preußen (!), Oberschlesien und Polen“ dar. Ein „Deutsches Reich“ will die Karte offenbar
nicht kennen; es wird geflissentlich an der historischen Entwicklung des letzten Jahrhunderts vorbei
gegangen. Warum dies geschieht, ist aus der Karte leicht zu entnehmen. Die Verteilung der Prote
stanten und Katholiken ist nach Prozenten dargestellt, und es soll selbstverständlich der Eindruck
in Oberschlesien erweckt werden, daß „Preußen“ als vorwiegend protestantisches Gebiet den Ober-
schlesiem seelisch weniger nahe steht als das katholische Polen. „Wohin muß“, heißt es wörtlich
in den Erläuterungen, „demnach das katholische Volk Oberschlesiens hinstreben?“ Daß innerhalb
des Deutschen Reiches sehr große Teile katholischer Bevölkerung vorhanden sind, wird durch die
gewählte Beschränkung auf Preußen vollständig verschwiegen. Auch auf die ostpreußische Frage
fällt dabei durch die polnische Karte ein entsprechendes Licht: das katholische Ermeland soll Sehn
sucht nach dem katholischen Großpolen bekommen! Die Karte besitzt aber noch weiteres Interesse.
Juden und Orthodoxe sind innerhalb des neuen Polen mit den Protestanten durch gleiche Farbe be
zeichnet. Dadurch, und vor allem durch die unrichtigen Zahlenberechnungen erscheint die ostpolnische
Grenzfrage in einem den Polen sehr viel günstigem Lichte als es in Wirklichkeit zutrifft. Die ethno
graphische und damit auch die religiöse Grenze verläuft viel näher der ehemaligen Grenze von
Kongreß-Polen als der auf der Karte angegebenen neuen Ostgrenze des polnischen Staates. Durch
die gewählte Signatur werden diese Verhältnisse aber vollkommen verschleiert; die Karte sollte in
dieser Beziehung bei der Entente günstige Eindrücke schaffen. Man sieht jedenfalls, mit welchem Ge
schick sich die Polen der Karten als politisches Propagandamittel zu bedienen wissen. — Man vgl.
dazu die vornehme Art einer ähnlichen Karte der Preußischen Landesaufnahme „Karte über das
Ergebnis der oberschlesischen Abstimmung“ 1 : 200000. Berlin 1921. Ferner die vom Pressedienst
für Oberschlesien herausgegebene „Karte des Abstimmungsgebietes“, 1 : 250000, auf der die Akte
polnischer Wahlbeeinflussung dargestellt sind. — Das ganze kartographische Schwindelmanöver
der Polen beleuchtet sehr gut W. Stahlberg: Das Kartenspiel in Oberschlesien. Die Grenzboten
1921, Heft 17/18.
2 E. D. Hauber: Versuch einer umständlichen Historie der Land-Charten. Ulm 1724, S. 46, 47.