Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Kartographie als Wissenschaft. 
steilem erwähnt. Ihren Verfasser kennt man nicht. Länder und Städte dieser Karte 
waren nirgends vorhanden. Wollust, Hochmut, Faulheit und alle übrigen Laster wurden 
als Königreiche, Städte, Flüsse und Meerbusen dargestellt und bespöttelt, „damit ein 
jeder Lasterhafter sich von dergleichen Schimpf möge hüten lernen“. 1 
In die Reihe der Kuriosa gehören die „Cartes de Tendre“, die Liebeskarten 
des 17. und 18. Jahrhunderts, die ihr Vorbild in der „Carte de Tendre“ aus dem Roman 
Clölia (Clelie, 1654—1660) der Madeleine de Scudery hatten. 1 2 M. Seutterin Augsburg 
hatte eine ähnliche Karte auf den Markt gebracht. 3 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts 
wurden nochmals Liebeskarten von J. G. I. Breitkopf 4 und Wilh. Haas 5 heraus 
gegeben, sie waren zugleich die ersten interessanten Versuche, den Landkarten-Satz 
(Letterndruck) bei der Kartenherstellung zu verwenden. Im 18. Jahrhundert blühte 
auch die Herstellung von geographisch-kartographischen Spielen und von Spielkarten, 
die man aus den Landkarten herausgeschnitten hatte. 6 
Man wird es jenen Zeiten gern verzeihen, wenn die Lust an kartographischen 
Darstellungen über das rein Geographische hinausgegangen ist und mancherlei karto 
graphische Auswüchse erzeugt hat, die den modernen Geist eigenartig anmuten. Bei 
ihnen kommt auch der Drang nach übersichtlicher Zusammenfassung zur Geltung, 
wie er sich im Wesen der Karte ausspricht. All diese Produkte können als geistreiche 
Spielereien angesehen werden, wie auch die phantastischen Einzeichnungen von Stern 
bildern in biblische Personen, Ereignisse usw. in Homanns Globus coelestis oder im 
Atlas coelestis seu Harmonia macrocosmica (Ende des 17. Jahrhunderts), von dem 
Hübner urteilte, daß er „ein Jeu d’esprit ist, das mehr Curiosität als Nutzen bei sich 
führet“. Immerhin sind diese Erzeugnisse ein Hinweis auf das große Interesse, das 
damals den Karten entgegengebracht wurde. 
Die Betrachtung der Karte in der Karikatur verflechtet sich eng mit der 
Untersuchung über die Kartenkuriosa. Wir betreten damit in der Hauptsache das 
Gebiet der Politik. Der Spott über die Machtäußerungen und -ansprüche verschiedener 
Staaten nimmt auf der Karte verschiedene witzige Ausdrucksformen an; so wenn 
innerhalb des Kartenrahmens und der politischen Grenzen Europa z. B. mit einer 
Jungfrau, die Niederlande oder England mit einem Löwen, Frankreich mit einem 
1 In dem oben erwähnten Artikel bei Krünitz ist die Karte des Schlaraffenlandes näher 
beschrieben, Bd. 60, S. 294 —302. 
2 Die Karte enthält die allegorische Geographie der Liebe. Sie ist mit großem Geschick ge 
zeichnet. Das Original befindet sich in der Nationalbibl. zu Paris, eine gute Reproduktion davon 
in der Geschichte der französ. Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart von H. Suchier 
und Ad. Birch-Hirschfeld. Leipzig und Wien 1900, S. 410. 
3 M. Seutter: Representation symbolique et ingénieuse projettée en Siege et en Bombarde 
ment, comme il faut, empecher prudemment les attaques de l’amour; mit der heitem Zwecksetzung: 
Methode pour defendre et conserver son coeur contre les attaques de l’amour. 
4 J. G. I. Breitkopf: Das Reich der Liebe. Leipzig 1777. Gute Reproduktion der Karte 
in dem oben erwähnten Artikel bei Krünitz als Pig. 3779. — Quelle der Wünsche, nebst Landkarte. 
Leipzig 1779. 
5 Wilh. Haas: Reise in das Reich der Liebe, nebst der Charte dieses Landes. Basel 1790. 
6 Dazu gehört z. B. Koenigii: Methodus per aleam lusoriam locorum cognitionem alicui in- 
figendi. 17. 18. Jahrh. — Unter den geograph.-kartograph. Spielen war seinerzeit am bekanntesten 
J. Fr. Andreae: Das europäisch-geographische Gänsespiel. Nürnberg s. a., 18. Jahrh. — Im Franzö 
sischen haben wir: Jeu de Géographie, ou sont les quatre parties du monde. Amsterdam chez Pierre 
Monier, s. a. 18. Jahrh. — Ferner gehört hierher: Die Einnahme der Festung Rudella. Ein Gesell 
schaftsspiel (aus d. 18. Jahrh.) von F.W.A. Isert in Berlin.
	        
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