Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Die Bedeutung der Karte. 
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krähenden Hahn, Rußland mit einem Bären usw. verglichen oder wenn bekannte mid 
berüchtigte politische Persönlichkeiten in die politische Umrahmung der Staaten ein 
gezwängt werden. Derartige Karten kennt bereits das 17. Jahrhundert. Sie sind dann 
zu allen Zeiten gezeichnet worden, treten aber wieder häufiger in der Mitte und am 
Ende des 19. Jahrhunderts auf. Auch der Weltkrieg hat derartige Karten in England, 
Frankreich und ganz besonders interessante in Deutschland erzeugt. 1 
29. Karte und Kunst. Ein ungeklärtes Kapitel in der Kartographie ist das über 
Karte und Kunst. Selbst im Kreise der Geographen herrscht keine Klarheit über das 
Maß, wieweit die Karte als ein Kunsterzeugnis gelten kann. Wenn bedeutende Geo 
graphen die geographische Wissenschaft auf die Darstellung der Erdoberfläche durch 
Schrift und Rede beschränken wollen und ihr die Kartographie als eine Kunst gegenüber 
stellen, kommt bei diesem unglücklichen Spiel mit Worten, wie J. Partsch sagt, nicht 
viel heraus. 1 2 Diametral entgegengesetzt ist die Richtung, die aus dem Kartenbild 
die letzte Kunstfaser herausziehen und sie lediglich als ein geotechnisches Gebilde 
angesehen wissen will. Zu ihren Vertretern gehörte lange Zeit K. Peucker. Die Wahr 
heit beider Anschauungen liegt in der Mitte. Zu ihrer Klarlegung dringen wir vor, 
wenn wir in unsrer Erörterung historisch vergehen. 
Auf mittelalterlichen Darstellungen ist es manchmal schwer, Karte von Bild 
zu unterscheiden. Indessen hat das Streben, von dem Lande eine Maßvorstellung und 
eine Anschauung über seine Form und Ausdehnung zu bekommen, wohl letzten Endes 
bei jeder Darstellung in Kartenform mitgespielt. „Vor allem wollte man eine Vor 
stellung von der Erscheinung für sich selber herausgestalten und sie dann auch andern 
vermitteln, und das war ein künstlerisches Schaffen, ein Gestalten in sich und aus sich 
heraus, mit subjektivem Einschlag, wo in der Seele der Gedanke erwacht und dann 
aus ihr zur Tat wird, wobei ihm der Kopf die Form gibt.“ 3 Im Mittelalter selbst wurde 
die Karte als ein Gemälde angesehen, worauf auch die Bezeichnung „pictura“ deutet, 
die auf sie angewandt wurde. Weit noch in die neue Zeit hinein begegnen wir dieser 
Auffassung, wenn auch die eigentliche Bedeutung von pictura mehr und mehr ver 
blaßt. In Ph. Clüvers Introductio in universam geographiam tarn veterem quam 
novam lesen wir in den Ausgaben aus dem Ende des 17. Jahrhunderts: Mappa seu 
Charta Geographica est pictura, quä situs Terrae vel ejus partes in plano artificiose 
describuntur. 4 Trotzdem, daß durch Mercator u. a. der mathematischen Grundlage 
der Karte ein bedeutendes Übergewicht gegeben wird, betrachtete man die Karte 
weiterhin als ein Gemälde, als Kunstprodukt per se. Darum kann es nicht wunder 
nehmen, daß auf vielen Karten des 16. bis 18. Jahrhunderts, ja auf französischen bis 
tief ins 19. Jahrhundert hinein, der eigentliche Karteninhalt mehr oder minder als 
Nebensache erscheint und das Drum-und-Dran die Hauptsache ist, d. h. die reich ver 
schnörkelte Randleiste, die Titelsetzungen und -Verzierungen, die Parerga und sonstige 
Ausschmückungen, wie Städteansichten, Volkstypen, Trachtenbilder. Selbst zur Unter 
1 z. B. „Gedrängte Frühjahrsübersicht von Europa i. J. 1915“. Verlag von L. Gräfe, Hamburg. 
2 J. Partsch: Die geographische Arbeit des 19. Jahrh. Rektoratsrede. Breslau 1899, S. 7. 
3 F. Becker: Die Kunst in der Kartographie. G. Z. 1910, S. 473. 
4 Obige Stelle ist aus der Ausgabe v. J. 1697, S. 59, Amsterdam bei J. Wolters, zitiert. In 
einer andern, gleichfalls in meinem Besitz befindlichen Ausgabe, Amsterdam 1676 bei J. Waesbergios, 
— in der mehr Oliiverschen Urform — fehlt die Definition: Demnach scheint sie von Cliiver 
selbst nicht herzustammen. 
Eckert, Karteuwissenschaft. I. 
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