Neue Bahnen und neue Aufgaben.
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weiß gelassen sind. Unter gleichen Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Ab
stufung der Höhenschichten ist die Carta corografica ipsometrica del Regno d’Italia
e delle regioni adiacenti in 1:500000 konstruiert. Die mit Wiesen geschmückten
Täler und Niederungen erscheinen bis 300 m grün, von da ab die Obstbaumregionen
bis 1000 m in allmählich intensiver werdenden lichtbraunen Stufen; von 1000 bis 2800 m
finden wir dunkelbraune Stufen, die nach der Höhe zu immer gesättigter und dunkler
werden, aber auffällig immerhin noch geschieden hei der Niveaukurve 1600, da bis
dahin die verschiedenen Getreide reichen, und 2000, da hier in der Hauptsache der
Baumwuchs zu Ende ist. Von 2800 m an ist die Region des ewigen Schnees, die
bis 3600 blau und die wenigen darüber hinausragenden Gebiete weiß veranschau
licht sind.
Vollkommener und tiefer als die staatlichen Karten hat die Terrain- und Höhen
karte der Hohen Tatra in 1:100000 von C. Koi'istka die Verschmelzung von Ge
lände- mit kulturgeographischer Karte erfaßt 1 Form, Höhe und Vegetationsverhält
nisse werden mit einem Schlage dargestellt. Mit Hilfe von Isohypsen, senkrecht be
leuchteten Schraffen, ausführlicher Felszeichnung und Schichtfarben unternimmt
Koiistka ein lebenswarmes, lebenswahres und plastisch wirkendes Bild der Tatra zu
zeichnen. Die Schichtlinien entbehren der üblichen starren, lediglich nach Zahlengrößen
bestimmten Äquidistanz und sind den Vegetationsgrenzen angepaßt. Von 1500 bis
2000 Fuß erscheint in Weiß die Waldregion, bis 2500 Fuß in Gell) die Hafer-, bis 3300
in Hellgrün die untere Wald-, bis 4300 in Dunkelgrün die obere Wald-, bis 5300 Fuß
in Braun die Krummholzregion; von 5300 bis 6000 Fuß erblicken wir in Hellrot den
Gürtel der Moose und Gräser und darüber hinaus die Schneefelder und kahlen Felsen,
letztere durch ein saftiges Dunkelbraun noch besonders markiert. Die Farbentöne
passen gut zueinander, entbehren nicht einer gewissen Charakteristik der Vegetations
formen und sind zugleich so angeordnet, den plastischen Effekt des Geländes zu er
höhen. Also auch hier bei Koiistka ein wohldurchdachtes System. Allerdings die
Schichtlinien als mittlern Ausdruck sämtlicher großen und kleinen Abweichungen
der Pflanzenhöhengrenzen zu gebrauchen, hat seine Bedenken, worauf schon E. v. Sy dow
hinweist. 1 2 Der gleiche Zug der Vegetationsgrenzen der Süd- und Nordabhänge liegt
bei der Tatra an der Grenze der wissenschaftlich gerade noch zu rechtfertigenden Ver
einheitlichung, bei den Alpen würde er auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, wo z. B
in den Tauern die Getreidegrenze auf der Nord seite bis 1200 m, auf der Südseite bis
1500 und 1700 m reicht, im Gebiete des Brenners im Norden bis 1160 m, im Süden bis
1350 m, in dem des Ortlers im Nordwesten bis 1250, im Südosten bis 1640 m. 3
In der Karte von Koiistka liegt eine ebenso bedeutende wissenschaftliche wie
kartographische Leistung vor, bei der nur zu bedauern ist, daß sie keine Nachfolger ge
funden hat. Aus ihr kann man wiederum die Lehre ziehen, daß für derartige wissen
schaftlich diffizile Darstellungen eine gute Terrainunterlage das A und Q des Gelingens
und Verstehens ist. Die zukünftige Kartographie wird sicher Probleme von der Art,
wie sie Koiistka zu lösen suchte, wieder in ihr Arbeitsprogramm aufnehmen. Sie
wie schon die verhältnismäßig kümmerlich orientierenden staatlichen Karten (s. oben)
sind für physikalisch-geographische und wirtschafts- und kulturgeographische Studien
1 Carl Koiistka: Die Hohe Tatra in den Central-Karpaten. P. M. Ergh. 12, Gotha 1864.
2 E. v. Sydow in P. M. 1864, S. 480.
3 Vgl. M. Eekert: Grundriß der Handelsgeographie. T. Leipzig 1905, S. 28.