Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

110 
Die Kartographie als Wissenschaft. 
ein leichtes Frösteln. Ist es nicht ein Treppenwitz in der Geschichte der Wissenschaften: 
Während bei der Tagung der Internationalen Weltkartenkonferenz in London im 
November 1909 die Clarkeschen Sphäroidelemente vom Jahre 1880 für die Welt 
karte vorgeschrieben werden, hatte kurz zuvor, Ende September 1909 in London 
und Cambridge die XVI. allgemeine Konferenz der Internationalen Erdmessung 
getagt, wobei man die neuesten Werte für die Erdabmessung erhalten konnte. Bei 
der Kartenkonferenz gestand man selbst zu, daß die Wahl der Projektion mathe 
matisch nicht einwandfrei sei. Bas hatte offenbar den französischen Geodäten 
Ch. Lallemand bewogen gehabt, später noch, in der Sitzung der Pariser Akademie 
der Wissenschaften vom 18. September 1911 erwirkt zu haben, das Prinzip des 
Maßhaltens in der Schärfe der mathematischen Anforderungen noch nachträglich 
für die Weltkarte zur Geltung zu bringen. Vor ihm hatte aber schon J. Frischauf 
den gangbaren Weg gezeigt und sogar in einer mehr elementar gehaltenen Darstellung 
seine Vorschläge zur Abbildung der Erde in 1 : 1000000 veröffentlicht. 1 Darum 
kann man sich nicht wundern, daß Frischauf über die Vernachlässigung seiner 
Ideen und Vorschläge ungehalten ist; 1 2 auch betont er, daß den Teilnehmern der 
Konferenz mein Aufsatz Die Kartographie als Wissenschaft in der Zeitschrift der 
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 1907, unbekannt geblieben zu sein scheint. 
Auch hält er aus wohlerwogenen Gründen das Format der Weltkartensektionen für 
unpraktisch. So häufen sich die Tatsachen, die überzeugen, daß das Weltkartenprojekt 
vorher nicht genügend ausbalanciert und sodann vertreten worden ist, wie es im Interesse 
dieses wichtigen kartographischen Unternehmens wünschenswert gewesen wäre. 
Erst auf den jüngsten Zusammenkünften der internationalen Erdkarten 
kommission wurden maßgebende Beschlüsse über konventionelle Zeichen, Wege- 
netzunterscheidung, Schrift, Farbengebung der hydrographischen und oro- 
graphischen Elemente gefaßt, endlich wurde ein permanentes Bureau für die Weltkarte 
geschaffen, dessen Sitz in Southampton (Ordnance Survey) und Zweigbureau in 
London ist. Nach einem Vierteljahrhundert hatte sich endlich die Einsicht durch 
gerungen, daß nur eine einheitliche Zentrale die Vereinheitlichung der Weltkarte 
wünschenswert fördern kann. Denn die Karten, die gleichsam als Probekarten bis 
zur Pariser Konferenz Vorlagen, waren mehr ein Sammelsurium von Kartenmustern, 
wie es eben nicht gemacht werden muß. Auf das Höhenschichtenkolorit sollte man, 
wie ich später ausführlicher nachweise, vorderhand ganz verzichten, es kommt nicht 
viel Brauchbares dabei heraus, dagegen sollte man mit recht viel Liebe und Sorg 
falt die Schichtlinienzeichnung behandeln. 
1 J. Frischauf: Zur Wahl der Projektion für Karten großen und mittlern Maßstabes. P. M. 
1908, S. 161—163. — Zur Abbildungslehre und deren Anwendung auf der Landesaufnahme. Z. f. 
Verm. 1908, S. 225-240. 
2 Beinahe sieht dies wie Absicht aus; wie kommt es, daß Penck geflissentlich diese Arbeiten 
meidet, die doch seinen Arbeiten gegenüber einen großen Fortschritt bedeuten. Frischauf nennt 
dies bei Penck „Eitelkeit“. Es ist bedauerlich, daß man einem Gelehrten wie Penck, einem der 
bekanntesten heute lebenden deutschen Geographen, sogar öffentlich den Vorwurf der „ Gelehrten- 
Eitelkeit“ machen muß. Oder sollte Frischauf doch zuviel behauptet haben? Eine kritische Sich 
tung der kartentheoretischen Veröffentlichungen Pencks und das sonstige Verhalten in karto 
graphischen Dingen scheinen die Aussage Frischaufs zu unterstützen. Den kartographischen 
Darlegungen Pencks kann man einen gewissen Fleiß nicht absprechen; ihr Wert liegt außer auf 
verschiedenen Anregungen insbesondere auf der kritischen Seite und sodann in der Propaganda für 
das Weltkartenprojekt. Eigentlich kartographisch Positives — weder theoretisch noch praktisch 
hat Penck nicht geleistet. Seine Bedeutung liegt auf anderm Gebiet.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.