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Das Kartennetz.
Nil
I
Probleme heute im Universitätsunterricht möglichst gemieden werden, um das
Kapitel der Projektionslehre kommt man nicht ganz herum, schon zur Vermeidung
des Anscheins der Rückständigkeit. Man überweist es meist jüngern Kräften oder
den Seminarübungen der Institute und hofft so, sein Möglichstes getan zu haben.
Im allgemeinen ist es ja besser geworden, aber immer noch bleibt das Wort von
Zöppritz zu rechte bestehen, das er 1883 seinem Leitfaden der Kartenentwurfs
lehre mit auf den Weg gab: „Die Kenntnis der geometrischen Methoden, auf denen
der Kartenentwurf beruht, und ein gewisser Grad von Übung in der Handhabung
desselben ist unerläßlich für jeden, der Karten mit Nutzen gebrauchen, Geographie
nicht bloß dilettantisch betreiben will.“
Zöppritz zählt unter die ersten, die die neue, gegenwärtige Reformation der
geographischen Kartenentwürfe einleiteten. Die erste Reformation ist unvergänglich
mit dem Namen Mercator verknüpft. Die Reformation der Kartographie um 1700,
mit der uns Chr. Sandler ausführlicher bekannt gemacht hat, und die sich haupt
sächlich an das Wirken von Delisle knüpft, hat es weniger auf das Kartennetz als
vielmehr den Karteninhalt abgesehen, insbesondere auf die richtige Lage und Ver
besserung der Konturen der Festländer, auf die Position der Orte usw. Gewiß war
Mercator auch in dieser Beziehung reformatorisch vorgegangen, man denke nur
an die kritische Sichtung des Inhalts zu seiner Europakarte 1554, aber seine Be
deutung lag doch mehr auf der Verbesserung und Anwendung von Kartennetzen,
die er teils wieder erfunden oder denen er ein weites, großes Anwendungsbereich
gegeben hatte. Gegen 1800 hat sich die zweite große Reformation der Netzentwürfe
abgespielt. Kein geringerer als der deutsche Mathematiker J. H. Lambert war
der Träger dieser Epoche. Von Lamberts Projektionen und Theorien zehren wir
heute noch, weit mehr als von dem, was uns Mercator überliefert hat.
Auffällig ist im höchsten Grade die Erscheinung, daß die Kartenprojektionen
fast ausschließlich von Deutschen und Franzosen, und erst in weiterm Abstande
von Italienern und Engländern gefördert worden sind. Merkwürdigerweise haben
die Engländer auf diesem Gebiete wenig Erfolge zu verzeichnen. 1 Soweit mir die eng
lische Kartenliteratur bekannt ist, habe ich bloß schwache Ansätze zum Betreten
selbständiger Wege in der Projektionslehre gesehen, und zwar da, wo es sich um
ältere Zylinderprojektionen oder um Modifikationen der Mercatorprojektion (Gail)
handelte. Selbst für topographische Karten müssen bei ihnen die einfachsten Zylinder
projektionen herhalten. 1 2 Wie wenig sie kartographisch kritisch begabt sind, beweist
als älteres Beispiel, daß sie eine ältere Projektion, von Mercator und Sanson bereits
angewandt, nach Flamsteed benennen, als jüngstes Beispiel, daß sie eine topo
graphische Karte in Bonnescher Projektion mit einem rechtwinkligen Koordinaten
netz überdecken. 3 Man ist leicht versucht, wie ich es auch getan habe 4 , diese Versehen
mit dem konservativen Charakter des Engländers zu entschuldigen; oder sollten sie
nicht in einer tatsächlichen Unkenntnis der Materie begründet sein?
Wichtig ist vor allem der Unterricht in der Projektionslehre auf höhern Lehr
anstalten, insbesondere auf Universitäten und technischen Hochschulen. Über
1 So z. B. die drei verschiedenen Modifikationen der Kegelprojektion von P. Mur dach, um
die Mitte des 18. Jahrh.
2 M. Eckert: Die Kartographie im Kriege. G. Z. 1920, S. 281, 283.
3 M. Eckert, a. a. O., S. 317, 321-323.
4 M. Eckert: Die Kartenprojektion. G. Z. 1910, S. 298.