Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Das Kartennetz. 
karte im Atlas (bis 30° Polabstand). 1 Auf den Planisphären von 1587 und im Atlas, 
hier auch auf der Karte von Amerika tritt uns die äquatorständige winkeltreue 
(stereographische) Projektion entgegen, desgleichen auf den Halbkugelbildern im 
Taschenatlas und im Atlas minor. 
Mercators Euhm knüpft sich besonders an die winkeltreue Zylinderprojektion 
oder das Netz mit vergrößerten Breiten 1 2 an, die er 1569 auf seiner berühmten Welt 
karte anwandte; man nennt sie kurzweg die „Mercatorprojektion“. 3 Meine seiner 
zeit ausgesprochene Vermutung, daß die Projektion schon vor Mercator gebraucht 
wurde 4 , sollte nur allzubald bestätigt werden. A. Wolkenhauer, der sich um die 
Erforschung des Nürnbergers Etzlaub große Mühe gab, machte mich auf dessen 
Sonnenkompaß von 1511 im Germanischen Museum zu Nürnberg aufmerksam. Die 
auf den Holzdeckel eingravierte (eingeritzte) Karte erkannte ich sofort als einen 
Entwurf mit vergrößerten Breiten, ganz im Sinne der Mercatorprojektion. Die Be 
rechnungen dieses Netzes, wie das eines ähnlichen Sonnenkompasses von 1515, haben 
es mir zur Gewißheit gemacht, daß Mercator nicht der erste war, der die sogenannte 
Mercatorprojektion zum ersten Male anwandte. Aber sie zum ersten Male für die 
ganze damals bekannte Welt als Seekarte in verhältnismäßig großem Maßstab ent 
worfen zu haben, ist sein unstreitiges Verdienst. Doch darüber mehr in dem Teil über 
die Seekarte. 
50. Die Projektionen in der klassischen Zeit der neuern Erdkunde. Wenig 
schöpferisch hinsichtlich neuer Projektionen war das ganze 17. Jahrhundert. Erst 
im folgenden Jahrhundert ist es damit wieder besser geworden. 17. und 18. Jahr 
hundert bilden jedoch Theorie und Kritik der früher gefundenen Projektionen weiter 
aus und bringen einzelne Projektionen zur intensivem Anwendung, so daß vielfach 
die alten Erfinder der Entwürfe vergessen und die Namen der neuen Praktiker bzw. 
Theoretiker, wie Flamsteed, mit bereits gefundenen und angewandten Projektionen 
verknüpft werden. 
Das 17. Jahrhundert hatte in der Hauptsache mehr damit zu tun, die neu ent 
deckten und damit die sich rapid vermehrenden, sowie auch die allmählich sicherer 
bestimmten Ländergebiete in die neuen Entwürfe zu spannen als die Theorie dieser 
Entwürfe auszubilden. 
Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts wird die tiefere Erforschung über das 
Wesen der Übertragung von einer gekrümmten Fläche auf eine ebene odereine 
andere krumme Fläche angebahnt. Die konischen (kegeligen) und stereographi 
schen Projektionen werden in ausführlicher Weise ausgebildet und erklärt. J. N. 
1 Nordenskiöld: Facs.-A., S. 95. 
2 Karte mit „vergrößerten Breiten“ ist ein deutscher Seemannsausdruck und ist der Be 
zeichnung Karte mit „wachsenden Breiten“ vorzuziehen, womit das weniger treffende französische 
„carte réduite“ übersetzt wird. 
3 Über Mercator vgl. in der Hauptsache die Monographie von A. Breusing: Gerhard 
Kremer, genannt Mercator, der deutsche Geograph. Zweite vermehrte Ausgabe. Duisburg 1878. — 
Das Verebnen der Kugeloberfläche f. Gradnetzentwürfe. Leipzig 1892, S. 31. — Ferner die aus 
führliche Monographie mit zahlreichen literarischen Nachweisen von H. Averdunk u. J Müller- 
Reinhard, a. a. O. 
4 M. Eckert: Die Kartenprojektion, a. a. O., S. 302, 303 u. 449, Anm.
	        
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