Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

130 
Das Kartennetz. 
zeitig mit ihm suchen Zöppritz 1 und Herz 1 2 in die Verzerrungs Verhältnisse gewisser 
Projektionen auf Tissotscher Grundlage einzuführen. Vor ihnen ist noch der treff 
liche Fiorini zu nennen. 3 Doch hat E. Hammer entschieden das größte Verdienst, 
uns die Tissotsche Gedankenwelt am nächsten gebracht zu haben. Gewiß möchte 
in Deutschland jetzt wohl schwerlich ein anderer zu finden sein, der mehr als Hammer 
auf dem Gebiete der Projektionslehre zu Hause sei. 4 Auch A. Bludau steht in seinen 
kartentheoretischen Untersuchungen wesentlich auf den Schultern Hammers. 
Tissot, der, zunächst an Gauß sich anlehnend, sodann aber durch eigene, 
selbständige Gedankenarbeit zu seinen Reformen der Kartenprojektionslehre gelangt 
ist, hat gleichwohl einen Vorläufer in dem deutschen Mathematiker Lambert. 
Frischauf hat den Nachweis erbracht, daß sich Lambert und Tissot, zwei um 
ein volles Jahrhundert auseinander stehende Forscher, unbewußt in vielen Punkten 
zusammengefunden haben. 5 „Was damals der Deutsche Lambert an neuem wissen 
schaftlichen Material den Mathematikern und Geographen aller Nationen dargeboten 
hat, das ist für den Teil von Frankreich jetzt von Tissot mit reichen Zinsen zurück 
gezahlt worden.“ Dies Wort von Zöppritz, dem auch E. Hammer beistimmt, 
mag für die Mathematiker voll und ganz stimmen, nicht aber für die Geographen; 
und so werden auch Breusings Worte erklärlich: „Es hätte der Formeln Tissots 
nicht bedurft, um zu erkennen, daß die nach ihren Urhebern Fournier, La Hire, 
Parent, Murdoch, Braun u. a. benannten zwecklos und damit wertlos sind.“ 
Lambert hat den Geographen praktischere Werte als Tissot geschaffen. Gleichwohl 
ist nicht zu verkennen, daß wir erst durch Tissot Lambert wieder zu würdigen 
beginnen; und vollends hat Hammer durch seine „geographisch wichtigsten Karten 
projektionen“ die Bedeutung Tissots wie Lamberts in unvergängliches Licht gerückt. 
Lambert herrscht inmitten der gegenwärtigen kartographischen Reform. 
Man kann wohl sagen, daß wir erst einen Tissot haben mußten, um einen 
Lambert vollkommen zu würdigen. Es wäre nicht das erste Mal, wie Welt- und 
Kulturgeschichte, ja die ganze Geschichte der Wissenschaften erweist, daß ein guter 
Gedanke erst nach hundert Jahren zur Ernte reif wird. Dringen wir indes in die ver 
borgenen Tiefen der Entwicklung der geographischen Wissenschaft ein, so werden 
wir hier und da Stellen entdecken, die zeigen, daß Lambert auch bei seinen Zeit 
genossen, die von tieferm geographischem Interesse erfüllt waren, nicht spurlos vor 
übergegangen ist. Tob. Mayer d. J. 6 , späterhin Reichard und andere hatten die 
Zweckmäßigkeit der Lambertschen flächentreuen Projektionen hervorgehoben. 
J. E. Bode zeichnete eine „Weltkarte“ in Lamberts flächentreuer Azimutal 
projektion. 7 Nachdem er den Vorzug der Lambertschen Entwurfsart gegenüber 
1 So in der Zeitschrift d. Ges. f. Erdkde. Berlin 1884, 19. Bd., S. 1; ferner in der Zeitschr. 
für Vermess., 1884, S. 293; und vor allem in dem Leitfaden der Kartenentwurfslehre, Leipzig 1884. 
2 N. Herz: Die Landkartenprojektionen. Leipzig 1885. 
3 M. Fiorini: Le projezioni delle carte geografiche. Bologna 1881. Wohl eines der besten 
und ausführlichsten Kartenprojektionswerke. 
4 In ähnlicher Weise äußert sich auch H. Wagner im Vorwort zum XVII. Jahrgang des 
Geographischen Jahrbuches. 
5 J. Frischauf: Beiträge zur Geschichte und Konstruktion der Kartenprojektionen. Graz 
1891. Die Beiträge sind insonderheit den Manen Johann Heinrich Lamberts gewidmet. 
6 J. T. Mayer: Gründlicher u. ausf. Unt., a. a. O., S. 20. 
7 Als Beilage zu G. E. Bo des Anleitung zur allgemeinen Kenntnis der Erdkugel. 1. Aufl. 
Berlin 1786; 2. durchgehends verbesserte u. vermehrte Aufl., Berlin 1803.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.