Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Das Kartennetz. 
Verhielten sich damals die weitem kartographischen Kreise zunächst noch ab 
lehnend gegen die Tissot sehen Neuerungen, so währte es doch erfreulicherweise nur 
kurze Zeit, bis das Gute dieser neuen Auffassung sich mit Macht Bahn brach. Deutsche 
Theoretiker, wie Zöppritz, Hammer, Bludau u. a., befaßten sich mit der Wahl 
der Projektionen für die Landkarten der Hand- und Schulatlanten und erhärteten 
auch an praktischen Beispielen die neue Theorie. 1 Vor allem hielt um die Wende des 
neuen Jahrhunderts die flächentreue Azimutalprojektion von Lambert ihren Sieges 
einzug in die Schulatlanten; er wurde hauptsächlich durch den Mittelschulatlas von 
Liiddecke eröffnet. Die gleiche Projektion für die Hemisphäre änderte E. Hammer, 
durch die Projektion von Aitow angeregt 1 2 , ab und erweiterte sie zu einer flächentreuen 
Projektion für die Holosphäre 3 ; als „Hammersche Projektion“ fand und findet sie, 
besonders durch eine größere Einzelausgabe in 1 : 80000000 durch Bludau gefördert 4 , 
gebührende Anwendung in Einzeluntersuchungen und umfassenden geographischen 
Werken. 
Die neuen Lehren der Projektionstheorie den Entwürfen der Handatlaskarten 
zugänglich gemacht zu haben, ist das große Verdienst von E. Debes. 5 Er wandte 
neben den ältern Projektionen, wie der Delisleschen und Bonneschen Projektion, 
besonders die Lambert-Gaußsehe konforme Kegelprojektion an, fernerhin speichen 
treue Entwürfe, bzw. mittabstandstreue Entwürfe mit verschieden gewählten Pro 
jektionspolpunkten und Breusings vermittelnden azimutalen Entwurf. Diese Pro 
jektionen waren bisher in den Atlanten so gut wie nicht vertreten, und die alten, 
bisher nicht gepflegten Kartennetze konnten hinsichtlich der Wiedergabe des Karten 
bildes, d. h. eines naturähnlichern Bildes mit den neuen Entwürfen nicht wetteifern. 
Daß A. Bludau bei der neuen Herausgabe des Handatlasses von Sohr-Berghaus 
die neuen Errungenschaften der Projektionslehre berücksichtigen würde, ist ohne 
1 Die diesbezüglichen Aufsätze befinden sich hauptsächlich in der Zeitschr. der Ges. f. Erdkde. 
zu Berlin und in Pet. Geograph. Mitt. Neben dem Werke von E. Hammer „Über die geographisch 
wichtigsten Kartenprojektionen“ kommt besonders der Abschnitt über „die Auswahl der Projektion 
von geringster Verzerrung“ in K. Zöppritz' „Leitfaden der Kartenentwurfslehre“, Leipzig 1884, 
S. 105ff. in Betracht, sowie Zöppritz’ Aufsatz: „Die Wahl der Projektionen für Atlanten und 
Handkarten“ in der Zeitschr. d. Ges. f. Erdkde. zu Berlin, 1884, Bd. 19, S. lff. — Eine gute und 
allgemein verständlich gehaltene Erörterung der Erwägungen, die bei der Wahl des Netzentwurfes 
für eine bestimmte Karte in Betracht kommen können, bietet A. Bludau in der G. Z. 1. Jahrg. 1895, 
S. 497 ff.: „Über die Wahl der Projektionen für Landkarten der Hand- und Schulatlanten“. — 
Mancherlei Anregung gibt auch eine von anderm Standpunkt als die vorhergehenden Aufsätze auf 
gefaßte Erörterung von H. Struve: „Landkarten, ihre Herstellung und Fehlergrenzen“; Berlin 
1887 (Sonderabdruck aus dem „Archiv für Post und Telegraphie“). — Vgl. auch C. Vogel über die 
Wahl der Projektion „Aus allen Weltteilen“, Jahrg. 12, S. 144. 
2 Die Planisphäre von M. D. Aitow i. Nouv. Geogr. 1892, S. 89. 
3 E. Hammer: Über die Planisphäre von Aitow und verwandte Entwürfe, insbesondere 
neue flächentreue ähnlicher Art. P. M. 1892, S. 85—87. 
4 Die von Bludau herausgegebene „Umrißkarte in flächentreuer Planisphäre“ nimmt keinen 
Bezug auf Hammer, weshalb der Irrtum verbreitet wurde, als habe Bludau auf anderm Wege wie 
Hammer eine gleiche selbständige Projektion gefunden. So führe auch ich in meiner Untersuchung 
„Neue Entwürfe für Erdkarten“ (Pet. Mitt. 1906, S. 97) noch Bludau neben Hammer an als einen, 
der eine besondere Projektion gefunden hat. Bludau erkennt aber vollständig die Priorität Hammers 
an und ist, wie er mir seinerzeit brieflich mitteilte, der Meinung, die bewußte Projektion nur 
„Hammersche Projektion“ zu nennen. Freilich hätte er diesem Gedanken auch auf der von ihm 
herausgegebenen Umrißkarte öffentlichen Ausdruck verleihen müssen. 
5 Neuer Handatlas. 1. Aufl. Leipzig 1895. 4. Aufl. Leipzig 1913.
	        
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