Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Das Kartennetz. 
18. Jahrhunderts scheint das Vorhandensein der Projektion unbekannt gebliehen zu 
sein, deshalb deren Benennung nach Flamsteed. Auf das Auftreten der Projektion 
bei Mercator hat A. Breusing schon hingewiesen und schließt den betreffenden 
Passus mit den Worten: „Man sollte doch endlich einmal aufhören, Sanson oder 
Flamsteed die Erfindung eines Gradnetzes zuzuschreiben, das sich schon hundert 
Jahre früher in einem Atlas findet, der damals in aller Händen war.“ 1 Da sie jedoch 
N. Sanson von 1650 ab systematisch für Erdteil- und Länderkarten in seinen großen, 
das 17. Jahrhundert beherrschenden Atlanten benutzt, glaube ich in dem Doppel 
namen der Projektion den besten Ausweg gefunden zu haben. In eine Art Anachronis 
mus fällt J. Müller-Reinhard zurück, wenn er unternimmt, die ältem Bezeich 
nungen Sansonsche oder Sanson-Flamsteedsche Karte zu retten; „man darf 
nicht mit Eckert von der Mercator-Sanson-Projektion sprechen“. 1 2 Man darf 
nicht, sondern muß sogar sprechen. Der Ausweg Breusings, von „pseudopostel- 
scher“, „pseudobonnescher“, „pseudoflamsteedscher“ etc. Projektion zu reden, sagt 
unserm Geschmacke gar nicht zu, auch wird durch diese mehr negierende Bezeich 
nungen kaum etwas Charakteristisches für die Entwürfe gewonnen. 
Mit der Zeit werden doch die unrichtigen Ausdrücke ausgemerzt, wie der so 
genannte „Postelsche“ Entwurf, d. h. die speichentreue Polarprojektion erweist. 
Heute hört man schon viel seltener diesen Entwurf nennen als vor einigen Jahren 
und besonders zur Zeit d’Avezacs, der ja der Urheber dieser Bezeichnung war. Vor 
G. Postei, der 1581 eine polständige mittabstandstreue Azimutalprojektion 
anwandte, hatte sie schon Mercator 1569 entworfen und vor diesem wiederum Juan 
Vespucci (S.122). Wie soll nun diese Projektion benannt werden? Auch hier kann 
nur die Bedeutung der Projektion einen Ausweg finden lassen. Gegenüber den Karten- 
bildern, die ihren Projektionspol, bzw. Kartenmittelpunkt nicht im Nord- oder Süd 
pol haben, stehen die polständigen Projektionen in ihrer geographischen Bedeutung 
und kartographischen Anwendung weit zurück. Man wird darum gut tun, die so 
genannte Postelsche Projektion mit keinem Namen zu belegen, sondern bei ihrer 
Behandlung in der Gruppe der polständigen azimutalen Entwürfe einfach zu be 
merken, daß sie bereits im 16. Jahrhundert von Vespucci, Mercator und Postei 
gebraucht wurde. 3 Ihre bei -weitem charakteristischere Stellung mit dem Projektions 
mittelpunkt auf einen Punkt des Äquators ist zuerst von Lambert angegeben, und 
ihre zwischenständige Lage von Schjerning, mir u. a. gezeichnet worden. 
Die ähnliche Weise der Vernachlässigung persönlicher Benennung, wie wir sie 
dem Postei sehen Entwurf gegenüber wünschen, ist bereits mit der Globular 
projektion geschehen. Sie wird nach keinem Urheber genannt, obwohl sie von 
dem Italiener Nicolosi, soweit bis jetzt nachweislich, 1660 zum ersten Male an- 
gewendet wurde, sodann 1676 von Pierre Duval, 1700 von de Fer, 1714 von dem 
Geographen Guillaume Delisle und andern Geographen seiner Zeit und späterhin 
1 A. Breusing: Das Verebnen, a. a. O., S. 53. 
2 H. Averdunk u. J. Müller-Reinhard, a. a. O., S. 144. 
3 Trotz der von mir bereits 1910 gegebenen Klarstellung spricht J. Müller-Reinhard, a.a.O., 
S. 142, noch von Posteis Projektion. Dagegen ist, wie ich mit Befriedigung feststelle, in der Aus 
gabe von Debes Handatlas von 1913 auf den speichentreuen Karten der Name „Postel“ ver 
schwunden. Gerade dieser Handatlas ist ein Muster der Gewissenhaftigkeit in der Angabe der den 
Karten zugrunde liegenden Projektionen, wodurch sich neben anderm der hohe Grad der Wissen 
schaftlichkeit des Kartenwerkes dokumentiert.
	        
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