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Namen und Systeme der Projektionen.
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der besondern Auffassung der „konischen“ Entwürfe wollte B reu sing nichts wissen.
I — Lassen sich nicht die Zylinderprojektionen und die azimutalen als Grenzfälle der
Kegelprojektionen auffassen und ebenso wieder die polständigen und äquatorständigen
Projektionen als Grenzfälle der Zwischenständigen! Jedes System wird immer etwas
Gewalttätiges an sich haben, aber dennoch ist ohne es nicht auszukommen, schon die
Eigenart der menschlichen Psyche, die Einzelvorstellung am besten in Reihenform
zu apperzipieren, verlangt es. Auf welche Weise dies nun geschieht, kann gleich
gültig sein, wenn das System nur gewünschten logischen und praktischen Forderungen
entspricht. Damit ist den Systemen auf geographischer Seite der Spielraum nicht
eingeengt. H. Wagner half sich bei der Behandlung der Projektionen in seinem
Lehrbuch der Geographie dadurch, daß er bestimmte Projektionsgruppen
in historische Reihenfolge brachte und auch in jeder Einzelgruppe einen mehr
oder minder ausgeprägten historischen Faden hineinwob. Das ist für den Geographen
immer ein guter und dankbarer Weg.
Die von Breusing geschaffenen Ausdrücke polständig, äquatorständig
und zwischenständig erfreuen sich noch nicht allgemeiner Beliebtheit, weder bei
den Mathematikern noch Geographen; so verhalten sich E. Hammer und H. Wagner
ablehnend ihnen gegenüber. Wagner will dafür lieber normal (rechtachsig), schief -
achsig und transversal (querachsig). Polständig will er nur auf den Spezialfall be
schränkt wissen, wo der Projektionspol im Nord- oder Südpol der Erde gelegen ist,
und nicht, wie bei allen normalen Kegelprojektionen in der verlängerten Erdachse
über dem Nordpol. 1 Wagner bringt den Einwurf gegen die Ausdrücke Breusings
bei der Behandlung der Kegelprojektionen und scheint dabei zu übersehen, daß
Breusing von Kegelprojektionen überhaupt nichts wissen will. Mit pol-, äquator-
und zwischenständig werden aber sehr gut die azimutalen Projektionslagen ver
anschaulicht, denn bei ihnen steht oder ruht der Projektionspol und damit die Karten
mitte entweder im Pole oder im Äquator, oder zwischen beiden. In den Bezeichnungen
Breusings haben wir unsers Erachtens nach anschaulichere Ausdrücke für die bereits
im 18. Jahrhundert gebrauchten Ausdrücke: Polar-, Äquatorial- und Horizontal
projektionen. Hammer aber will noch allgemeinere Ausdrücke, wie normal, trans
versal und schiefachsig, um so eine gemeinschaftliche Bezeichnung für die Lage der
konischen, zylindrischen und azimutalen Entwürfe zu haben. Daß aber auch diese
Einteilung bzw. Bezeichnung etwas Gezwungenes und nicht allseitig Befriedigendes
an sich hat, fühlte Hammer selbst, und darum möchte er die normalen azimutalen
Abbildungen als Polarprojektion, besser „Äquatorialprojektion“, die transversalen
azimutalen als Äquatorprojektion, besser „Meridianprojektion“ und die schiefachsigen
azimutalen als „Horizontalprojektion“ bezeichnen. Mit der „bessern“ Benennung
Hammers aber würde noch größerer Wirrwarr in die Lagebezeichnung der Pro
jektionen hineingebracht als ohnehin schon vorhanden ist. Für die azimutalen
Projektionen sollte man pol-, äquator- und zwischenständig gelten lassen,
für die verschiedenen Lagen der kegeligen und zylindrischen Entwürfe aber
den Ausdrücken rechtachsig, querachsig und schrägachsig (also einheitlichen
deutschen Bezeichnungen) Bürgerrecht verschaffen. Notgedrungen lassen sich recht
achsig, querachsig und schrägachsig auf die Lagen sämtlicher Kartenprojektionen
anwenden, wenn man bedenkt, daß die azimutalen und zylindrischen Entwürfe nur
1 H. Wagner: Lehrbuch a. a. O., S. 211, Anm.