Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Allgemeinere geographische Anforderungen an die Kartennetze. 
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auf K. Zöppritz zurück, in dessen Leitfaden der Kartenentwurfslehre, Leipzig 
1884, die Flächentreue als wichtigste Eigenschaft der Karten im allgemeinen bezeichnet 
wurde. Bei dem Ansehen, das Zöppritz sowohl bei den Geographen wie bei den 
Mathematikern genoß, wurde die Flächentreue bald zum allgemein anerkannten 
Axiom, und seitdem wurde sie in geographischen und kartographischen Lehrbüchern 
zum Schlagwort, so ähnlich, wie das von den „leicht vergleichbaren Maßstäben“, das 
wie E. Debes meint, gar nicht den Wert und die Bedeutung hat, die ihm zugeschrieben 
werden. Jedenfalls ist Zöppritz zu der Wertschätzung der flächentreuen Entwürfe 
durch seine Wahrnehmung gekommen, daß in den Kartenwerken seinerzeit haupt 
sächlich Sansón und Mercator vertreten waren. Daneben war sicher eine andere 
Ursache noch maßgebend. Zöppritz war ein großer Freund von Flächenberechnungen 
und andern zahlenmäßigen Feststellungen and Untersuchungen; und da mußte ihm 
die Flächentreue der Karte eine erwünschte und zweckmäßige Eigenschaft der Pro 
jektion geographischer Karten erscheinen. Wenn schon einmal die Geographie 
eine messende Wissenschaft ist, geben gerade dieser messenden Wissenschaft die 
Karten die wichtigste und sicherste Unterlage. Flächentreue und nicht flächentreue 
Karten können zum Messen gebraucht werden, während aber die letztem allerlei 
Umstände und Rechnungen bedingen und zuletzt die Richtigkeit des Ergebnisses 
immer noch fraglich erscheinen lassen, haben die erstem, sofern sie zuverlässig ent 
worfen und gezeichnet sind, nicht mit diesen Schwierigkeiten zu rechnen und liefern 
weit zuverlässigere Resultate, ganz gleich, mit welchen Mitteln, ob mit Planimeter 
oder elementaren mathematischen Methoden, und welcher Art, ob Linien-, Areal 
und Yolumenmessung, und in welchem Umfang die Messungen betrieben werden. 1 
Darin liegt, was nicht weiter zu beweisen notwendig ist, ein geographisch wissenschaft 
licher Vorzug der flächentreuen gegenüber den winkeltreuen, mittabstandstreuen und 
vermittelnden Projektionen. 
Damit soll jedoch nicht über die nicht flächentreuen Entwürfe der Stab ge 
brochen sein. Umstände erheischen es, auch in der Geographie andere als flächentreue 
Netze zu gebrauchen; und wenn Hammer gegen J. G. Bartholomews Karte 
„Route to India“ eifert, weil sie in Mercatorprojektion entworfen ist und nicht in einer 
viel geeignetem, wie in vermittelnder schiefachsiger zylindrischer Projektion, so 
kann dem nur voll und ganz zugestimmt werden, ebenso auch seiner Behauptung 
für vorliegenden Fall, „daß das Studium der Verzerrungsverhältnisse in allererster 
Linie die Projektionswahl bestimmen muß“. 1 2 Nicht aber ist, das mag mit ganz 
besonderer Schärfe betont werden, das mathematisch beste Netz stets das 
geographisch beste. Damit stellen wir uns in bewußten, noch weiterhin zu be 
weisenden Gegensatz zu dem jetzt herrschenden und angebeteten Dogma: die mathe 
matisch bestentwickelte Projektion ist auch für geographische Zwecke die beste 
Projektion. 
03. Die flächen- und winkeltreuen Kartennetze in ihrer Wertschätzung bei dem 
Kartenpraktiker. Es ist mehr als recht und billig, auch einen Kartenpraktiker zu 
Worte kommen zu lassen. Dabei stütze ich mich in der Hauptsache auf Erörterungen, 
die ich mit E. Debes gepflogen habe; und die Anschauungen, die ich im folgenden 
wiedergebe, sind vorzugsweise diejenigen Debes’. Der Sansonsche und Bonne 
1 Auch A. Bludau hat diesen Gedanken in der G. Z. 1895, S. 510 zum Ausdruck gebracht. 
2 Zwei praktische Beispiele zylindrischer Kartennetzentwürfe. P. M. 1904, S. 279, Anm. 1.
	        
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