Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Das Kartennetz. 
sehe Entwurf, die A. Breusing in treffender Weise „abweitungstreue“ nennt, werden 
nicht wegen ihrer Flächentreue von den Kartographen bevorzugt, sondern wegen 
ihrer maßtreuen Wiedergabe der Breitengrade und Längengrade und der Möglichkeit, 
nach zwei Richtungen hin genaue Linearmessungen vorzunehmen. Andere Projek 
tionen sind nach dieser Richtung hin weniger geeignet und gestatten auch nicht das 
rasche Abgreifen von Positionen wie jene genannten Entwürfe. Für kartentechnische 
Zwecke ist besonders wertvoll, daß sich jede Ergänzung der Netze, sei es im Sinne 
von räumlichen Erweiterungen, sei es im Sinne einer Verdichtung der Netzmaschen, 
bequem, leicht und exakt bewerkstelligen läßt, während dies bei den „neuen“ Ent 
würfen, namentlich den flächentreuen, nicht ohne, oft sehr zeitraubende Umständ 
lichkeiten möglich ist, wenn auf genaue Arbeit Wert gelegt werden soll. 
Diesen charakteristischen Eigenschaften gegenüber betrachtet Debes auf Grund 
seiner eigenen, langjährigen praktischen Erfahrungen die Flächentreue der genannten 
abweitungstreuen Entwürfe nur als ein gleichsam zufälliges oder beiläufiges Ergebnis, 
das weder von ihren Erfindern beabsichtigt worden, noch ausschlaggebend für ihre 
häufige Anwendung geworden ist. Nach der Wahl der Netze im Neuen Handatlas 
erkennt man, daß er sich nicht auf den Standpunkt von Zöppritz und Bludau 
stellt; die Karte ist ihm in erster Linie ein Bild der Erdoberfläche, das vor allen 
Dingen figürliche Ähnlichkeit voraussetzt, d. h. Richtigkeit der Winkel, wenigstens 
in den kleinsten Teilen, oder mindestens möglichst geringe figürliche Verzerrungen. 
Da deckt sich seine Ansicht fast mit der ähnlichen von J. Frischauf, der darüber 
ungehalten ist, daß die Flächentreue als ein unantastbares Dogma und als wichtigste 
Eigenschaft aller Karten hingestellt wird, „ohne zu bedenken, daß der Ausdruck 
„flächentreu“ nichts über die Gestalt besagt, und die topographischen Grundlagen 
nur mit Endstellung benutzt werden können, falls Gebiete von der Größe Deutsch 
lands zusammenhängend dargestellt werden sollen.“ 1 Dem ist entgegenzuhalten, 
daß wir noch gar nicht ans Ende der Leistungsfähigkeit flächentreuer Entwürfe an 
gekommen sind. Ich selbst habe einen Weg gezeigt, wie man Teile der Erdoberfläche 
am besten in flächentreuer Projektion bei größt möglicher Bewahrung der figürlichen 
Ähnlichkeit wiederzugeben vermag 1 2 , und glaube, daß Karten dieser Art auch von 
Debes als gefällig und gut angesehen würden. Ihm erscheinen immer diejenigen Ab 
bildungen als die besten, die die geringsten figürlichen Verzerrungsverhältnisse zeigen, 
nicht etwa unter dem Gesichtswinkel der „zierlichen mathematischen Formel“, 
sondern nach Maßgabe des gesunden geographischen Bewußtseins. 
Für Karten, deren Hauptdimensionen in der Richtung W—0 verlaufen, sind 
Kegelprojektionen zu wählen, für solche, deren Hauptdimensionen in meridionaler 
Richtung liegt, zylindrische Entwürfe und für Gebiete, die sich kreisförmig oder 
quadratisch abgrenzen, azimutale Netze. Nach dieser Grundregel hat Debes im 
Neuen Handatlas die Projektionen aufgebaut, wobei die Kegelprojektionen vor 
herrschen, was ebensowohl im Format als in dem Umstande liegt, daß die meisten 
Karten mit ihrer Längsdimension im Sinne des aufgeschlagenen Atlas orientiert sind. 
Aber noch andere Gründe sind es, die uns die Vorliebe Debes’ für die An 
wendung winkeltreuer Entwürfe oder solcher mit möglichst geringer Winkelverzerrung 
erklärlich erscheinen lassen. Sie sind rein praktischer Natur und können in einem 
1 J. Frischauf: Beiträge, a. a. (>., S. 127, Anm. ,*J. 
2 M. Eckert: Abänderung flächentreuer Netze. P. M. 1920, 8. 125, 126.
	        
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