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Das Kartennetz.
Belgrad sich befindet, dagegen das als Halbasien zu wertende russische Reich mit
seiner westlichen Hauptstadt noch um anderthalb Grad östlicher als die Sultans
residenz am Goldenen Horn, mit seiner östlichen dagegen, dem „heiligen Mütterchen“
Moskau, sich über die Länge von Damaskus, also dem reinen unverfälschten Orient
um einen Grad hinaus erstreckt, während die im Osten folgenden Städte, wie Kasan,
samt dem Wolgalauf abwärts bereits einen Längengrad besitzen, wie ihn das west
liche Persien hat. Ist man sich bewußt, daß Liverpool östlicher als Edinburg liegt ?
Wie oft wird übersehen, daß Südamerika gegenüber Nordamerika um die ganze Breite
der Vereinigten Staaten von Amerika nach Osten verschoben ist und die Länge von
Pittsburg im Osten Nordamerikas die gleiche von Guayaquil, also des äußersten
Westens von Südamerika ist. Diese wenigen Beispiele mögen genügen, sich der
großen Bedeutung der gegenseitigen Lage bewußt zu werden.
Das natürliche Arrangement der Gradnetzlinien darf nicht einer eleganten
mathematischen Formel zuliebe verschoben oder gar vernachlässigt werden, sondern
ist im Hinblick auf die geographischen Eigentümlichkeiten der Lageverhältnisse der
Netzkonstruktion tunlichst zu berücksichtigen. Wir verkennen nicht, daß dies leichter
gesagt als ausgeführt ist, aber mit dem guten Willen zum Bessern werden auch hier
annehmbare Wege gefunden werden. Das Suchen des geographisch befriedigenden
Ziels wird erleichtert, wenn eben immer wieder von den tatsächlichen und nicht von
den konstruierten Eigenschaften des Netzes ausgegangen wird. Eo ipso wird auch
hier die Erfüllung des einen die Ausschließung des andern zur Folge haben; immerhin
werden doch verschiedene Kompromisse in Hinsicht auf den Zweck der Karte
vielerlei Brauchbares ergeben.
Aus den Grundtatsachen des Erdkugelnetzes erwachsen für den Geographen
die Grundvorstellungen irdischer Lagen. Die Grundtatsachen sind in der Richtung
und Länge, der gegenseitigen Entfernung und Rechtschnittigkeit der Gradnetzlinien
gegeben. Die Parallelkreise sind bekanntlich in allen korrespondierenden Punkten,
den Meridianschnittpunkten, gleichweit voneinander, infolgedessen auch gleichweit
von dem Äquator entfernt. Werden die Parallelkreise in die Ebene abgewickelt, ge
streckt, so ergeben sie parallele Linien, die auch am besten den ursprünglichen Eigen
schaften der Parallelkreise entsprechen müssen. Erst in zweiter Hinsicht würde eine
Projektion der Parallelen in konzentrischen Kreisen in Betracht kommen und zuletzt
eine solche in Ellipsen und andern Kurven, bei denen die Parallelität geschwunden ist.
Bezüglich des geographischen Wertes lassen die gestreckten Parallelen
andere projizierte stellvertretende Linienführungen weit hinter sich. Bei Projek
tionen des gesamten Erdbildes kommt dies hauptsächlich zum Bewußtsein. 1 Die
Erdkartennetze von Mollweide 2 , Hammer und mir sind flächentreu. Alle drei
weisen an dem Rand erhebliche Verzerrungen auf, die aber bei Mollweide und mir
am wenigsten störend empfunden werden. Dazu haben beide die zu Geraden aus
gestreckten Parallelkreise, Hammer dagegen gekrümmte und nicht parallel ver
laufende Breitenkreise, welcher Nachteil auch nicht durch die Bemühung, ein
winkeltreueres Netz (bezüglich des geringsten Maximalwertes der Verzerrung 2co max )
als Mollweide zu haben, ausgeglichen wird. Die zu Geraden ausgestreckten und
tatsächlich parallelen Parallelkreise sind für physisch-, bio- und wirtschaftsgeographische
1 Vgl. M. Eckert: Neue Entwürfe für Erdkarten. P. M. 1906, Taf. 8.
2 In v. Zachs Monatl. Corresp. XII. 1805, S. 160 gibt C. B. Mollweide die Grundzüge
seiner fläclientreuen Erddarstellung.