Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Allgemeinere geographische Anforderungen au die Kartennetze. 
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Gesamtübersichten von außerordentlichem Vorteil, das Auge überschaut mit einem 
Blicke in einer geraden Bichtung das ganze Bild. 1 Vor allem wird bei Mollweide 
und mir die Lage der polaren Verbreitung von Pflanzen und Tieren, von Ländern 
und Orten usw. in bezug auf den Äquator besser als auf Erdkarten mit krummlinigen 
Parallelen, wie bei Hammer, gewahrt. Was wirklich im Osten oder Westen eines 
Ortes oder Objektes auf gleicher Höhe liegt, das bleibt auch in gleicher Entfernung 
vom Äquator. Nach dieser Bichtung ist sogar die Mercator-Sansonsche Projektion 
mit Vorteil zu benutzen, wenn nur ihre nordwestlichen und nordöstlichen, südwest 
lichen und südöstlichen Felder nicht gar so zusammengedrückt wären. Dieser Nach- 
tiel kann auch durch die gleichweit voneinander entfernten Parallelen und den in 
richtigen Abweitungen gezogenen Meridianen nicht ausgeglichen werden, weshalb 
man im Hinblick auf ein allseitiges klareres Erdbild immer wieder zu Mollweide 
oder zu meinen Projektionen oder einem andern Entwurf seine Zuflucht nehmen wird. 
In den ausgestreckten Parallelkreisen liegt ein großes didaktisches Moment. 
Wie viele falsche Vorstellungen beruhen auf der Krümmung der Breitenkreise! Das 
hatte gleichfalls schon Breusing 1 2 erkannt, und vor ihm bereits Hermann Berg 
haus. 3 Auch H. Wagner weiß den Vorteil geradliniger Parallelen zu würdigen. 
Für die Erkenntnis der Lage und Verbreitung der physischen, bio- und wirt 
schaftsgeographischen Erscheinungen ist die Breitenlage wichtiger als die Längen 
lage; mit andern Worten: die nordsüdlichen Lagen sind für das Leben der Erde 
einschneidender als die ostwestlichen. In der nordsüdlichen Lage und ihrer jährlichen 
Variation, durch die Stellung der Erde zur Sonne bedingt, liegen die Zonen und 
Jahreszeiten, die das Leben unsers Erdballes regeln, begründet. Dagegen haben die 
Längengrade den Breitengraden gegenüber den Wert als Zeitmesser voraus; es haben 
eben aus bekannten astrophysischen Gesetzen alle Orte auf gleichem Meridian alle 
Tageszeiten gemeinsam, und ihr gegenseitiger Vergleich erweckt den Begriff des Zeit 
unterschiedes und zuletzt den der Entfernung in ostwestlicher Bichtung. In nord 
südlicher Bichtung gibt die Poldistanz die Werte für die Entfernungen. Obwohl 
sich Meridiane und Parallelen stets im rechten Winkel schneiden, kommt diese Tat 
sache bei der allgemeinen Betrachtung des Globus weniger zum Bewußtsein als die 
Wahrnehmung, daß die Meridiane polwärts konvergieren. Infolge dieser gewonnenen 
allgemeinen Anschauung will uns ein Erdkartenbild in zylindrischem oder säuligem 
Entwurf, auf dem die Parallelen wohl im rechten Winkel von den Meridianen ge 
schnitten, aber diese selbst starr, parallel zueinander verlaufen, nicht recht Zusagen, 
und selbst eine geringe Krümmung der Meridiane auf einem Gesamterdbild, wie bei 
meiner flächentreuen Ellipsen- und sinuslinigen Projektion, erinnert uns schon mehr 
an das von dem Globus her in uns aufgenommene Bild. Daß die Meridiane die vom 
1 Man vergleiche nur die in Hammerscher Projektion gegebenen Erdübersichten in dem von 
A. Bludau neu herausgegebenen „Sohr-Berghaus’ Handatlas“, oder in E. Friedrichs „Wirt 
schaftsgeographie“ (hier aus Versehen als „Hemisphäre“ anstatt „Holosphäre“ bezeichnet) oder in 
G. Dreßlers „Fußpfad und Weg“ (Diss. Leipzig 1906) mit den Mollweideschen Bildern in Berghaus’ 
„Physikalischem Atlas“, in A. Supans „Tei’ritorialer Entwicklung der europäischen Kolonien“ oder 
mit den Kartenskizzen in meiner Kreisringprojektion in dem „Leitfaden für Handelsgeographie“ 
(3. Aufl. Leipzig 1911), in dem „Kleinen Atlas zur Wirtschafts- und Verkehrsgeographie“ (Halle a. S. 
1909) oder in meinem „Wirtschaftsatlas der Deutschen Kolonien“ (Bedin 1912). 
2 A. Breusing: Das Verebnen a. a. O., S. 59. 
3 In dem Aufsatz „über H. James’ und J. Babinets Entwurfskarten für Planigloben“ (P. M. 
1858, S. 63ff.) kommt H Berghaus einigemal auf die geotreckten Parallelen zu reden. 
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