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Das Kartennetz.
Pol nach dem Äquator wachsenden Parallelkreise stets in gleiche, der Anzahl der
Meridianschnittpunkte entsprechende Stücke, „Abweitungen“, zerlegten, das ist
gegebenenfalls ein Moment, das für die Wahl bzw. den Ausschluß mancher Projektion
sprechen kann.
II. Die geographische Brauchbarkeit einiger Projektionen.
07. Rechteckige Erdkarten und Verhältnis von Mittelmeridian zum Äquator.
Die Berücksichtigung des ganzen Linienarrangements und das darauf begründete
Studium des Verlagerungs Verhältnisses der Länder und Erdteile nennen wir eben
die qualitative, die geographische Analyse eines Netzentwurfs. Sie und die quan
titative Analyse, die also auf dem Studium der Verzerrungsverhältnisse beruht,
müssen die Wahl der Projektionen bestimmen, nicht die Verzerrungsverhältnisse
allein, wie Tissot, Zöppritz, Hammer, Bludau, Behrmann u. a. m. wollen.
Behrmann spricht sogar mit apodiktischer Gewißheit: „Zur Abwertung der
Güte der flächentreuen Projektionen kann einzig und allein der Wert
der durchschnittlichen Maximalwinkelverzerrung 2co d maßgebend sein“ 1 ;
und so konnte es nicht ausbleiben, daß er die flächentreue Projektion auf den Schnitt
zylinder im dreißigsten Parallelkreis als „die beste flächentmie Projektion der ganzen
Erde“ hinstellt, „die berufen ist, als Projektion mit den geringsten Verzerrungen an
die Stelle vieler alter Erdbilder zu treten“. Abgesehen davon, daß letztere Worte
zu allgemein gesprochen sind, ergibt die ganze Behrmannsche Untersuchung ein
klassisches Beispiel dafür, auf welchen Abweg die „Anbetung der Formel“ führt.
Schon auf mathematischem Wege lassen sich die Projektionen anders beurteilen,
als es Behrmann getan hat; nur muß man dabei immer an die von Natur gegebenen
Größenverhältnisse denken. Man weiß, daß die Projektionen von Mollweide und
mir an der Auseinanderziehung der Breitengrade in den äquatornahen Gegenden
leiden, besonders jedoch an der Zusammendrückung der Breitengrade nach den Polen
zu. Dieses Mißverhältnis wird aber geradezu bedenklich bei der von Behrmann
vorgeschlagenen flächentreuen Zylinderprojektion.
Setzt man voraus, daß die Mercator-Sansonprojektion, die Zylinderprojektion
von Behrmann und die Ellipsen- und Sinuslinienprojektion von mir in gleichem
Elächenverhältnis vorliegen, und nimmt man die Entfernung des Pols (bzw. der Pol
linie) vom Äquator auf dem Mittelmeridian bei der Mercator-Sansonprojektion gleich 1
an, da das Koordinatenkreuz dieses Netzes am besten den natürlichen Abmessungen
entspricht, so beträgt die gleiche Entfernung bei Behrmanns Zylinderprojektion — 0,7
(0,735), bei meiner Ellipsenprojektion = 0,8 (0,845) und bei meiner Sinuslinien
projektion = 0,9 (0,882). Demnach ist bei dieser Relation die Behrmannsche Mittel
linie gegenüber der natürlichen um 1 / 4 zu kurz, bei meiner Sinuslinienprojektion nur
um 7io-
Wird bei den vier genannten Projektionen die Entfernung auf der Mittellinie
vom Pol zum Äquator mit 1 angenommen, so wahrt nur die Mercator-Sansonsche
Projektion die gleichen Entfernungen von Grad zu Grad, also ganz wie es den natür
lichen Verhältnissen entspricht; die andern Projektionen ändern die Entfernungen
1 W. Behrmann: Zur Kritik der flächentreuen Projektionen der ganzen Erde usw. Sitzgsb.
d. K. Bayr. Ak. d. Wiss. 1909, 13. Abhandlg. München 1909, S. 8.