Die geographische Brauchbarkeit einiger Projektionen.
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Projektion cles Zylinders, der die Erde im dreißigsten Parallelkreis durchdringt, den
Vorteil hat, nur durch gerade Linien in kurzer Zeit konstruiert werden zu können.
(»8. Kreisförmige Erdkarten (Kreisnetze). Fast ebensowenig wie die Rechtecks
form kann die umrandende Kreisform für das Gesamtbild der Erde befriedigen,
ganz gleich ob sich die Projektion dabei aus Ellipsen aufbaut und Flächentreue be
wahrt, wie die Azimutalprojektion für die ganze Erde, die von Tissot behandelt
wurde, oder ob sie nur aus Kreisen konstruiert wird und die Flächen alsdann in un
schickliche Verhältnisse zueinander setzt, wie es die Kreisnetzbilder von Lambert
und Grinten dartun. 1
Lambert hat für seine Netzlinien eine stereographische Anordnung, Grinten
dagegen läßt den Äquator in gleichen Abständen durchschneiden und ändert dann
entsprechend die Abstände und Krümmungen der Parallelkreise derart, daß keine
Deformation längs des ganzen Äquators eintritt; man kann nicht behaupten, daß
dadurch das Gesamtbild bei Grinten sehr viel dem Lambertschen Bilde gegen
über gewonnen habe. Beide Bilder leiden unter dem Verhältnis 1 : 1 des Meridians
zum Äquator, das in der Natur 1 : 2 ist. Dadurch wird das ganze Erdbild glücklich
wieder auf die Scheibe der alten Griechen zurückgeführt. * 1 2 In geschickter Weise hat
sich H. Haack dadurch geholfen, daß er die Grintensche Projektion rechteckig
verschnitt, dadurch verlor das Bild im N und S und mußte an allen vier Ecken ergänzt
werden. 3 Die von Haack so zugestutzte Karte kann mir in projektionstechnischer
Hinsicht nicht gefallen. 4 Wohl werden die Äquatorgegenden weniger als die äquator
fernere Gegend deformiert, indessen ist das unnatürliche Anwachsen der Kontinental
massen nach den Polen zu gerade so unleidlich wie bei Lambert und der Mercator-
karte. Grönland z. B. erscheint als eine^Kontinentalmasse von der Größe Südamerikas,
das aber in Wirklichkeit achtmal größer als Grönland ist: die Polarmeere erscheinen
als die größten Weltmeere. Dies hat ja Haack wohlweislich durch sein Rechteck
vermieden; da die Polgebiete abgeschnitten sind, ist die Karte keine Weltkarte im
strengen Sinne des Wortes. Sie läßt für Nord- und Südpol wie die Mercatorkarte
etwas Ungelöstes. Das möchte indes noch gehen, da wirtschaftlich in den äußersten
Polgebieten nichts zu holen ist, aber die verschieden figürliche Wiedergabe ein und
desselben Gebietes auf einem Kartenbild wird unbedingt störend empfunden; man
sehe sich daraufhin nur die Tschuktschenhalbinsel oder Alaska an. Im Begleitwort
zu seiner Karte betont Haack, daß sie die Landmassen nicht in der Weise wie
Mercator vergrößere. Das stimmt, abor Mercator hat neben der Parallelität der
Breitenkreise noch voraus, daß Gebiete, die bei einer Verlängerung der Karte nach
den von E. Hammer (Nova acta. Abh. d. Kais. Leop.-Carol. Deutsch. Akad. der Naturforscher. LXXI.
Halle 1898, S. 467) empfohlenen durchschnittlichen 2a> d bei der Untersuchung von Erdkarten
einen Fortschritt gegenüber dem Tissotschen 2 co max erkenne. Behrmann wird sicher mit Be
friedigung davon Kenntnis nehmen, daß in dem Grande Atlante Internazionale del Touring Club
Italiano, Milano, verschiedene Karten in meiner Ellipsenprojektion erscheinen.
1 J. H. Lambert: Entwertung der Land- und Himmelscharten. 1773. Ostwalds Klassiker.
Nr. 54. S. 34, Fig. 11. — Alph. J. van der Grinten: Darstellung der ganzen Erdoberfläche auf
einer kreisförmigen Projektionsebene. In P. M. 1904, S. 155ff. u. Taf. 10.
2 Über das Manierierte der Kreisnetze vgl. S. 149.
3 H. Haack: Physische Weltkarte in van der Grintens Entwurf 1:20000000. Gotha,
J. Perthes, s. a. (1914).
4 Im übrigen ist die Karte, d. h. das physische Bild, sehr wirkungsvoll und anschaulich dar
gestellt.